Schnee ist weiss und kalt – oder etwa doch nicht?
Schnee ist weiss und kalt – oder etwa doch nicht? © Jürg Wirth

Dem Schnee auf den Grund gehen

Jürg Wirth Weiss, kalt und die Unterlage für jeglichen Wintersport, das ist Schnee. Grund genug also, dieses Material einmal etwas genauer zu betrachten. Etwas, das die Forscherinnen und Forscher am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF das ganze Jahr über tun.

Eigentlich ist Schnee heiss – zumindest in der Optik der Wissenschaft. Denn das Material Schnee kämpft häufig gegen das Schmelzen, heisst, die Temperatur liegt nur wenig unter dem Schmelzpunkt. Nur, dass der Schmelzpunkt eben mit 0 Grad auch eher tief liegt, verglichen beispielsweise mit Eisen, das einen Schmelzpunkt von 1538 Grad Celsius aufweist. Dort wäre heiss dann richtig heiss.

Dann wirkt Schnee auf den ersten Blick homogen und weiss, doch anders als meist im richtigen Leben, täuscht hier der erste Eindruck etwas. Weiss ist Schnee zwar meistens, ausser Saharastaub wird mit dem Wind zu den Alpen transportiert und fällt im Niederschlag auf die weisse Schneedecke. Die Schneedecke ist aus verschiedenen Schneeschichten mit jeweils unterschiedlichen Eigenschaften aufgebaut. Denn Schnee ist ein komplexes Material, das sich ständig verändert. Von Schneemetamorphose spricht die Wissenschaft dabei. Dann befeuert Schnee als «heisses» Material auch die Wirtschaft. Sei es als Unterlage für Wintersport aller Art, aber auch dank der Schmelze als Lieferant von Wasser.

Eigentlich ist die Bildung von Schnee ganz einfach zu erklären: Schnee entsteht, wenn unterkühlte Wassertröpfchen in Wolken zu Eis erstarren und sich anschliessend Wasserdampf an diesen Kristallisationskernen ablagert und gefriert. So jedenfalls erklärt es das SLF auf seiner Website. Die Surfer früher hatten da eine deutlich einfachere Erklärung: «Never forget, snow is only frozen water.»

So sehen Neuschneekristalle unter dem Mikroskop aus.
So sehen Neuschneekristalle unter dem Mikroskop aus. © SLF

Vielfältige Schneekristalle

Dabei kommen die Schneekristalle in völlig unterschiedlichen Formen daher und können sich zu Nädelchen oder auch den bekannten Schneesternen ausbilden. Immer aber verfügen sie über die sechseckige Grundstruktur. Einzigartig sind die Schneekristalle aber trotzdem. So weist ein Eiskristall einen Durchmesser von einem Millimeter auf und enthält 100 Trillionen (also sehr, sehr viele) Wassermoleküle. Diese gefrieren und gruppieren sich, wie sie wollen, weshalb es niemals zwei gleich geartete geben wird. Bei kalten Temperaturen fallen einzelne Schneekristalle zu Boden, ist die Temperatur nahe Null Grad, kleben die einzelnen Kristalle zu einer Flocke zusammen.

Fallen die Schneeflocken nun zu Boden, bilden diese die Schneedecke – mit der Zeit. Denn erst bleiben die Flocken quasi «für sich», was sich in einer luftig, leichten Masse äussert. Doch mit der Zeit beginnen die Kristalle an ihren Berührungspunkten zusammenzuwachsen. Die Kristalle kleben zusammen, «sintern» nennt das die Physik, und es entsteht eine feste Schneeschicht. Dabei ändert sich auch die Dichte von Schnee, sprich, das Gewicht der Schneedecke. Ein Kubikmeter frisch gefallener Neuschnee wiegt demnach 50 bis 100 Kilogramm, bringt es älterer, zusammengedrückter Schnee des gleichen Volumens auf gut 400 Kilogramm. Die Umwandlung vom Schnee nennt man Metamorphose, genau gleich also wie bei der Umwandlung der Raupe in einen Schmetterling.

Dabei gibt es beim Schnee verschiedene Arten der Metamorphose, diese sind abhängig von den Temperaturen am Boden, also an der untersten Seite der Schneedecke und an der obersten, also der Oberfläche. Ist der Temperaturunterschied, gradient nennt sich dies in der Fachsprache, gering, wie das beispielsweise am Nord- oder Südpol der Fall ist, so verläuft die Umwandlung sehr langsam.

Noch sind die Kristalle leicht sichtbar, bevor sie ganz verpappen.
Noch sind die Kristalle leicht sichtbar, bevor sie ganz verpappen. © Jürg Wirth

Von luftig zu verklebt

Anders sieht es aus, wenn sich die Temperaturen am Boden und an der Oberfläche des Schnees unterscheiden, was sie in den meisten aller Fällen auch sind, weil die Schneedecken für eine gleichmässige Temperatur zu wenig dick sind. Bei uns im Winter ist es dann so, dass am Boden meist Temperaturen um 0 Grad Celsius herrschen, während es an der Oberfläche kälter ist. Trifft das zu, wandert der Wasserdampf in der Schneedecke von unten nach oben. Dabei stösst der wandernde Wasserdampf laufend an Schneekristalle und lagert sich an deren Unterseite ab, womit der Kristall nach unten wächst. Die Oberseite des Kristalls sublimiert, geht also vom festen direkt in den gasförmigen Zustand über. Ein Teil des Schneekristalls wird direkt zu Wasserdampf, ohne vorher zu schmelzen und bietet so der gesamten Umwandlung der Schneedecke durch das Freiwerden von Wasserdampf neue Nahrung. Ja, und über kurz oder lang entsteht so eine gänzlich neue Schneedecke.

Hier ist kein Engel gelandet, sondern ziemlich sicher eine Krähe.
Hier ist kein Engel gelandet, sondern ziemlich sicher eine Krähe. © Jürg Wirth

Unheimliche Geräusche

Doch Schnee kann sich nicht nur umwandeln, er kann auch Geräusche von sich geben, entweder ganz von selbst oder unter Druck. Die unheimlichsten Laute dabei sind diese dumpfen «Wummgeräusche» auf einer Skitour. Sie lassen einen leicht erzittern, auch weil man dann gewahr wird, dass die Schneesituation nicht die beste ist und die Lawinengefahr erhöht zu sein scheint und sich spontane Abgänge bilden können. Denn beim Wummgeräusch bricht eine ganze Schneeschicht, die Schwachschicht, in sich zusammen.

Grundsätzlich stammen die Geräusche vom Brechen der Eiskristalle. Wobei der Bruch eines einzelnen Kristalls nicht hörbar ist. Die Laute entstehen erst, wenn viele Kristalle miteinander brechen, zum Beispiel, wenn man darüber spaziert. Geschieht dies bei tiefen Temperaturen, hört man ein Knirschen oder Klirren. Dies deshalb, weil die Kristalle spröde sind und beim Brechen aneinander reiben. Ist der Schnee weniger kalt, kann sich Schnee verformen, ohne zu brechen, ähnlich wie eine zähe Flüssigkeit.

Hier hat die Schneedecke glücklicherweise gehalten.
Hier hat die Schneedecke glücklicherweise gehalten. © Jürg Wirth

Weiss wie Schnee

Doch wieso ist Schnee überhaupt weiss und wieso blendet es dermassen in den Augen, wenn die Sonne scheint? Die Blendung hat mit dem starken Reflexionsgrad des Schnees zu tun. 95 Prozent des einfallenden Lichtes werden an der Oberfläche reflektiert und also direkt in unsere Augen geschickt, wo es dann blendet.

Und die weisse Farbe rührt daher, dass sich das Sonnenlicht in den vielen, vielen Schneekristallen verliert. Es wird an der Oberfläche der Kristalle gebrochen und ändert darauf die Richtung. Dies geschieht einige Male, bevor der Lichtstrahl wieder aus der Schneedecke findet. Dabei werden die Farben des Sonnenlichts gleichmässig absorbiert, also quasi von den Kristallen gefangen, weshalb das absorbierte Licht, also dasjenige, welches die Schneeschicht wieder verlässt, weiss erscheint.

Damit sollte nun in Sachen Schnee alles klar sein, und der nächste Ausflug ins Weiss steht ganz bestimmt unter anderen Vorzeichen. Sei es nur aufgrund der Tatsache, dass Schnee eigentlich heiss ist.

Weitere Informationen unter: slf.ch/de/schnee

Sieht einfach auch schön aus so eine Winterlandschaft.
Sieht einfach auch schön aus so eine Winterlandschaft. © Jürg Wirth

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