Jacques Guidon war Lehrer mit Leib und Seele.
Jacques Guidon war Lehrer mit Leib und Seele. © zvg

Jacques Guidon, Lehrer und Künstler

Annina Schöpf Heutzutage ist es selbstverständlich: man besucht die Schule, hat sein eigenes Pult, Bücher, Hefte und vieles mehr. Aber wie war das eigentlich vor fast 90 Jahren? Wie lebte und lernte man damals? Wie war Jacques Guidons Leben? Dies habe ich nachgefragt.

Jacques Guidon ist am 22.07.1931 in Zernez geboren, wo er dann auch die Schule besuchte. Seine Eltern waren Bauern. Er ging sehr gerne zur Schule, weil ihm das Lernen Spass machte. Seine Klasse bestand aus 12 Schülern; acht dieser Schüler haben den Sekundartest bestanden, vier Schüler besuchten die Realschule. Insgesamt besuchten rund 90 Schüler die Zernezer Schule. Damals hatte man sechs Monate lang Schule und die restlichen sechs Monate Ferien. Während der Woche hatte man nur am Samstagnachmittag und am Sonntag frei. Den Kindern wurden zu der Zeit keine Freizeitaktivitäten angeboten. Darum spielten sie unter anderem Streiche, um sich die Zeit zu vertreiben, so klauten sie zum Beispiel Rüben oder Erdbeeren. Wer erwischt wurde, musste als Strafe an einem Samstagnachmittag zur Schule gehen oder etwas abschreiben. Die Kinder machten das, weil es nichts gab, was sie sonst hätten tun können. Es gab keine Skipisten, Schwimmbäder, kein Schlittschuhlaufen auf dem Eis oder Ähnliches.

Tafel und Kreide

Auch das Schulmaterial hat sich seither komplett verändert. Damals schrieb man mit Kreide auf Tafeln oder mit Tinte und Schreibfeder. Wenn man keine Tinte mehr hatte, musste man bei einer anderen Klasse anklopfen und die Tinte neu abfüllen. Mit Tinte und Feder war es aber nicht immer einfach umzugehen. Zum Beispiel, wenn man eine sehr lange Arbeit schrieb und danach die Tinte verschüttete, musste man wieder von vorne beginnen. Auch die Pulte waren damals anders, man sass zu zweit an einem Pult. Dieses hatte einen Deckel, den man aufklappen konnte, innen verstaute man Bücher und Schulmaterial.

Nach der Schule hat Jacques entschieden, sich zum Lehrer ausbilden zu lassen. Sein grosser Traum war es, Künstler zu werden - aber wie sollte er damit sein Geld verdienen? Darum sagte er sich: als Lehrer habe ich bald einmal die Ausbildung gemacht und danach verdiene ich genügend Geld. Die Lehrerschule war schon damals in Chur. Später ist er dann noch nach London gereist, um Englisch zu lernen und nach Frankreich, um dort sein Französisch zu verbessern. Er besuchte Paris, Lyon und auch andere Städte, um dort die Grammatik und Lektüre zu erlernen. Er behauptet von sich selber, kein guter Student gewesen zu sein. Er schaute sich lieber die Stadt an oder besuchte Museen, statt zu lernen.

In diesen Jahren war auch Autostopp sehr beliebt, man konnte dann sogar in ferne Länder mitreisen, er selbst war auch schon auf diese Art unterwegs.

Hatte man die Lehrerausbildung in Graubünden abgeschlossen, durfte man nicht in Zürich unterrichten, sondern nur im Kanton Graubünden, auch wenn man das gleiche Diplom erhalten hatte.

Angefangen zu unterrichten hat er im Schuljahr 1952/53 in Versam. Später dann auch in Pontresina, Zuoz und Zernez. In Zuoz hat es ihm aber am besten gefallen – nicht nur, weil er dort seine grosse Liebe Eva gefunden hat.

Am liebsten hätte Jacques Zeichnen unterrichtet, heute ist er froh wie ein Floh, dass es nicht dazu kam, sonst wäre er nie und nimmer Künstler geworden.

Lehrertricks

Er hatte während seiner Zeit als Lehrer viele Tricks: wenn ein Schüler zum Beispiel seinen Unterricht störte, hat er einfach aufgehört zu reden und ihm zugehört. Danach wurde es dann schnell ruhig im Schulzimmer. Seine Antwort darauf, warum er nichts mehr sagt, war: «Ich möchte dein Gespräch nicht unterbrechen.» Auch wenn ihm Kinder Streiche spielten, versuchte er sich immer in die Lage des Kindes zu versetzen. Wenn er einmal einen Schüler bestrafen musste und ihn am Samstag in die Schule schickte, dachten die Schüler oft, dass es auch für Jacques eine Bestrafung sei, am Samstag zur Schule gehen zu müssen. Für ihn war es aber eine gute Sache, so konnte er korrigieren oder Tests vorbereiten.

Im Laufe der Zeit hat sich vieles verändert. Weil die Lehrer damals nicht sonderlich viel verdienten, beschlossen manche Lehrer, den Beruf zu wechseln. Die Schulen hatten dann aber nicht mehr genügend Lehrer, so entschlossen sie sich, die Löhne zu erhöhen.

Jacques lebt noch immer glücklich mit seiner Frau Eva in Zernez. Heute ist er 90 Jahre alt und ein bekannter Künstler. Er stellt immer wieder seine Bilder aus und schreibt Bücher und Gedichte. Auch so manche Kinderbücher hat er bereits illustriert.

Sein Tipp an alle, die nicht wissen, was sie erlernen sollen: der Beruf des Lehrers ist immer eine gute Entscheidung. Man kann zusehen, wie Kinder lernen und an manchen Sachen Spass haben. Dieser Beruf ist einfach nur phänomenal.

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