Ich habe viele Lieblingswanderungen

Jürg Wirth Claudia Alini aus Scuol ist die Koordinatorin für die Wanderwege in der Region. Im Interview erklärt sie, was sie dabei zu tun hat, ob sie selber gerne wandert und was es braucht, damit ein neuer Wanderweg entsteht.

Wie viele Kilometer Wanderwege gibt es in den Ferienregionen Engadin Scuol Zernez, Val Müstair und Samnaun?

1271 Kilometer.

 

Und wie viele davon haben Sie schon abgewandert?

Ganz genau kann ich das nicht sagen, aber ich denke, es werden so um die 827 Kilometer sein.

 

Wandern Sie denn eigentlich gerne?

Ja, absolut. Ich bin von Kindesbeinen an in den Bergen unterwegs.

 

Sollte man als Koordinatorin jeden Meter des eigenen Netzes kennen, oder was macht eine Koordinatorin?

Ich würde sehr gerne jeden Meter des Netzes kennen und will das im Laufe der Jahre auch erreichen, bin auf gutem Weg. Denn nur wer das Wanderwegnetz kennt, kann damit arbeiten. Mir ist es wichtig, dass ich bei Beanstandungen oder Lösungsvorschlägen durch die Gemeinden weiss, worum es geht und wie es da aussieht. Nur so kann ich es richtig beurteilen. Ich koordiniere zwischen Kanton, Wanderwege Graubünden, Gemeinden, Kontrolleuren, Forst, Landwirtschaft und Tourismus alle Anliegen im Zusammenhang mit dem Langsamverkehr, bestehend aus Wander-, Bike- und Themenwegen. Die Arbeit ist sehr vielseitig und lässt sich nicht in ein paar Sätzen beschreiben. Aber primär geht es darum, dass alle Wege innerhalb von zwei Jahren begangen, beurteilt und kontrolliert werden. Kriterien sind dabei die Signalisation und der Zustand des Weges. 

Meine Aufgabe ist, alles zu koordinieren, aber auch zu kommunizieren und Lösungen für alle Beteiligten zu finden, ganz im Zeichen der Koexistenz von Mensch und Mensch, aber vor allem auch zwischen Mensch und Natur.

 

Wie ist der Trend, gibt es mehr oder weniger neue Wanderwege?

Gleichbleibend würde ich sagen. Die Tendenz des Kantons ist es eher, Wege zu streichen. Als die Wege alle neu aufgenommen wurden, waren das sehr viele, zum Teil auch zu viele. Darum müssen wir auch beurteilen, ob es diesen oder jenen Weg überhaupt noch braucht. Insbesondere sollte auf Doppel- oder Mehrfachführungen verzichtet werden. Werden Wege neu aufgenommen, muss zum Teil ein anderer gestrichen werden.

Wichtiger ist, dass die Instandsetzung der bestehenden Wege gewährleistet wird, bevor man neue Wege aufnimmt.

 

Welches sind die neuesten Wege in der Region?

In Tschlin wurde im Jahr 2020 der Weg von Barandias neu erschlossen. Ausserdem wurden auf dem bestehenden Wanderwegnetz Themenwege in Samnaun neu ausgeschildert oder auch in Scuol die Mineralwasserwege. Im Val Müstair wurde in den letzten Jahren der Weg «a la riva dal rom» ausgebaut und so verlegt, dass er zu einer richtigen Attraktivität geworden ist. Der letzte Abschnitt über die Kantonsstrasse in Sielva ist in der Endphase. 

Allgemein sind es kleine, vereinzelte Abschnitte, die neu aufgenommen werden, um auszuweichen oder zu verbinden, zum Beispiel durch Erosionsprobleme oder Steinschlag im Falle von Dors in Lavin.

 

Wer legt fest, wo und wann diese Wege erschlossen werden?

Dafür sind die Gemeinden zuständig. Es können auch Vorschläge vom Tourismus, von Wanderwege Graubünden und meinerseits entgegengenommen werden. Das muss aber immer von der Gemeinde beurteilt und entschieden werden. Schlussendlich entscheidet aber nach der Eingabe der Kanton.

 

Kann man sagen, was ein durchschnittlicher Meter Wanderweg im Bau und im Unterhalt kostet?

Der Unterhalt pro Meter kostet ca. 30 bis 90 Rappen. Ein Neubau kommt auf 30 bis 120 Franken pro Meter zu stehen.

 

Apropos Unterhalt: Wer unterhält die Wanderwege, ist das die Gemeinde oder sind das Freiwillige?

Für den Unterhalt ist die Gemeinde zuständig. Dies ist aber von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich geregelt. Teils wird der Weg durchs Forstamt unterhalten, teils durch die Gemeindemitarbeitenden.  

Aber es werden auch Schulklassen eingesetzt, die im Lager im Engadin sind, oder wenn nötig, hilft der Zivilschutz mit.

Freiwillige sind allerdings immer willkommen!

 

Die Wanderwegtafeldichte ist in der Schweiz und in unserer Region im Speziellen sehr hoch. Weiss noch jemand, wo all diese Tafeln stehen und werden zwischendurch auch welche abgeräumt?

Was heisst sehr hoch? In Dorfnähe sicher, aber es ist sehr komplex, und es ist ein ganzes Spinnennetz, das miteinander verbunden ist und deshalb können nicht einfach Tafeln gestrichen werden. Es wird aber immer beurteilt, ob alle nötig sind, vor allem bei Neubestellungen. Wir wollen keinen Wanderwegtafelwald. Die Tafeln sind alle registriert, jede Stange ist genau mit Inhalt dokumentiert, sodass leicht überprüft werden kann, ob der Inhalt stimmt oder bei defekten Wegweisern genau der richtige Wegweiser bestellt werden kann – mit entsprechender Montage.

 

Am Bahnhof Lavin hat es auch ziemlich viele Tafeln, und Guarda kann man in einer, drei oder fünf Stunden erreichen …

Guarda ist natürlich von Lavin aus über die Alp d’Immez, Dors, Giarsun oder Uschlaingias erreichbar, zwischen 1 ¼ bis 5 Stunden, darum gibt es eine klare Regelung, die Wegweiser zu lesen, um zwischen den verschiedenen Möglichkeiten zu unterscheiden:

Resgia – Guarda: 1 h 15 min

oder

Alp d’Immez – Chamanna dal Bescher – Guarda: 5 h

Wichtig ist es immer, eine Karte zur Orientierung dabeizuhaben. Denn alle Wege führen nach Rom oder eben nach Guarda.

 

Haben Sie Wünsche an die Wander*innen?

Wünsche? Wünsche an die Menschen im Allgemeinen: Verständnis für die Natur, sich der Wichtigkeit unserer Wildtiere, Nutztiere und Flora bewusst sein, Eigenverantwortung, Gelassenheit und Toleranz auf den Wegen, aber vor allem geht mit offenen Augen durch die Natur, geniesst unsere wunderbare Natur und das Leben.

 

Welches ist Ihre Lieblingswanderung, Ihr Lieblingswanderweg?

Da kann ich mich nicht entscheiden. Es gibt so viele tolle Wege, und ich freue mich immer wieder, neue zu entdecken. Jede Region hat wunderbare Orte: Sulner Gletscher, Alp Tea, Val Tasna, Lai Glims, il Jalet, Alp Sielva, etc.

 

Claudia Alini wohnt in Scuol und ist regionale Koordinatorin der Wanderwege. Sie geht viel mit ihrem Ehemann und Hund in die Natur. Zu Hause lässt sie ihren Ideen für Haus und Garten in ihrem Kreativladen «ideas CA» freien Raum und geniesst das Leben.

Claudia Alini ist Wanderwegkoordinatorin für die ganze Region. Sie steht aber auch gerne mal auf den Langlaufski.
Claudia Alini ist Wanderwegkoordinatorin für die ganze Region. Sie steht aber auch gerne mal auf den Langlaufski. © zvg

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