«Bis anfangs des 19. Jahrhunderts war Samnaun ein abgeschlossener Talkessel», beginnt Arno Jäger am Anfang der Geschichte. Lediglich über einige Saumpfade entweder via Tschlin, über die Fuorcla Salet durch das Val Sampuoir, sei das Tal zu erreichen gewesen oder über das Zeblas-Joch via Val Fenga nach Griosch. Erst 1830 rückte der Ort etwas näher zur Welt respektive zu Österreich. Denn damals beschlossen die Gemeinden Spiss, Fliess und Samnaun, einen gemeinsam Karrenweg nach Pfunds zu bauen. Seitdem liess sich wenigstens etwas Handel betreiben. Die Erschliessung über die Schweiz aber liess weiter auf sich warten, war jedoch immer Thema und auch Inhalt verschiedenster Anträge in Bern. 1902 dann liess sich der Bundesrat erweichen und beschloss, das Samnauner Begehren der Bundesversammlung vorzulegen. Diese beschloss 1905, die mit einer Million Franken budgetierten Kosten für die neue Strasse zu 80 Prozent zu subventionieren. Die Freude in Samnaun war gross und die Arbeiten konnten beginnen.
200 Arbeiter
Als Erstes galt es die Verbindung Martina-Vinadi zu erstellen, damit dort die Talstrasse in Angriff genommen werden konnte. 1909 dann begannen die Arbeiten an der Strasse nach Samnaun. 200 Arbeiter standen während vier Jahren im Einsatz. Von Baggern oder Tunnelbohrmaschinen konnten sie noch nicht einmal träumen. Ihre Werkzeuge waren Pickel, Spaten, Schaufel und Dynamit. Es sei alles Handarbeit gewesen, weiss Jäger. Das ausgebrochene Gestein verwendeten sie meist an Ort und Stelle wieder, um damit die Stützmauern aufzurichten, welche die Strasse trugen. Erst im hinteren Abschnitt Richtung Samnaun spielte der Bündner Schiefer Spielverderber, und die Arbeiter mussten die harten Steine von weiter vorne im Tal mit Ochsenkarren und Pferdefuhrwerken nach hinten karren. Doch die Arbeiter waren fleissig und kamen gut voran, sodass am 15. November 1912 die Samnauner Strasse über Schweizer Gebiet, die Strasse liegt zu 90 Prozent auf Tschliner Boden, eröffnet werden konnte. Schlussendlich kostete das Ganze 1,5 Millionen Franken, wovon der Bund aber trotzdem 80 Prozent, sprich 1,3 Millionen Franken übernahm. Der Kanton Graubünden steuerte 270'000 Fr. bei, die Unterengadiner Gemeinden beteiligten sich mit 40'000 Fr., und der Hotelverein Schuls bezahlte 20'000 Fr. Zudem kam der Kanton für den Unterhalt auf.
Autoverbot in Graubünden
Autos fuhren aber trotzdem noch keine, denn der Kanton Graubünden kannte noch bis 1925 das Autoverbot auf seinen Strassen. Autos, welche den Kanton durchqueren wollten, mussten mit Pferden gezogen werden. Lediglich in der Zeit des Ersten Weltkriegs hob das Militär das Verbot für Militärfahrzeuge auf.
Ansonsten bewegten sich auf der Strasse nur Ochsenkarren und Kutschen, unter anderem auch diejenige der Post. Das erste Postauto fuhr dann 1928 nach Samnaun.
Und die 200 Männer leisteten vorzügliche Arbeit. Wohl wurde die Strasse an manchen Stellen verbreitert, die heute noch bestehenden Tunnel sind aber noch immer im Originalzustand und machen die Fahrt nach Samnaun auch 110 Jahre nach der Eröffnung immer noch zu einem wildromantischen Abenteuer.