Krafttraining macht Sinn

Jürg Wirth Elke Cloet leitet die Physiotherapieabteilung im Center da sandà Engiadina Bassa (CSEB). In ihrer Funktion hat sie am Standort Ospidal schon viele Unfälle behandelt. Im Interview gibt sie Tipps, mit welcher Vorbereitung sich diese vermindern lassen.

Früher gab’s Skiturnen am Fernsehen, wie bereitet man sich heute aufs Skifahren vor?

Es gibt Menschen, die sich gar nicht auf die Saison vorbereiten. Dabei findet man auch viele gute Trainingstipps online.

Und diejenigen, die sich vorbereiten wollen, was haben die zu tun?

Wichtig für den Pistensport ist Muskelkraft, Stabilität und Koordination. Deshalb macht es Sinn, diese Fähigkeiten zu trainieren.

Braucht es denn eine solche Vorbereitung?

Ja, das macht durchaus Sinn. Denn mit einer guten Vorbereitung auf die Wintersaison lässt sich das Unfallrisiko stark vermindern. Beim Skifahren beispielsweise wirkt in den Kurven ein Vielfaches des Körpergewichtes auf die Kniegelenke. Mehr Muskelkraft und bessere Koordination tragen da zur Entlastung der Gelenke bei. Zudem lässt sich das Sportgerät mit einer guten Rumpfmuskulatur besser beherrschen.

Wann sollte man mit dem Training beginnen?

Am besten ist es natürlich, wenn man das ganze Jahr über regelmässig Sport treibt und sich durchgehend bewegt. Bezogen auf die Wintersaison sollte man je nach Trainingszustand aber spätestens zwei bis drei Monate vorher mit dem Training beginnen.

Und wenn ich bereits zu spät bin?

Mit Krafttraining kann man jederzeit anfangen, dafür ist es nie zu spät. Und je älter, desto dringender.

Mit welchen Sportarten kann ich mich schon im Sommer gut auf die Wintersaison vorbereiten?

Der grösste Unterschied ist die Unterlage, sprich der Schnee. Im Sommer kann man das Wintersportgerät nicht einsetzen. Mit Biken oder Bergtouren zu Fuss können sie sich aber schon mal gut auf den Winter vorbereiten und die Beinmuskulatur trainieren. Allerdings ist auch die Geschwindigkeit nicht dieselbe.

Beim Biken noch am ehesten oder?

Ja, man kann zum Beispiel mit dem Bike Trails abfahren, wobei die Körperposition und die Bewegungsabläufe nicht identisch sind wie beim Skifahren oder Snowboarden. Langläufer*innen können im Sommer auf Rollskis oder Rollskates trainieren. Für Snowboarder*innen eignet sich das Skateboard oder Surfbrett als Trainingsgerät.

Grundsätzlich aktiviert man im Sommer aber immer nur Muskelgruppen, die man im Winter braucht. Einzelne Muskeln muss man im spezifischen Training stärken.

Wie soll man denn trainieren?

Jene, die mit dem Training beginnen, machen das am besten zwei- bis dreimal die Woche und lassen sich ein spezifisches Programm für die entsprechende Sportart zusammenstellen.

Also sollte man im Gym trainieren?

Als Anfänger*in empfiehlt sich das durchaus, ja. Im Gym gibt es zudem die Infrastruktur und mit anderen zusammen zu trainieren macht mehr Spass.

Menschen, die sich Krafttraining schon etwas gewohnt sind, können das auch zu Hause machen. Vor allem Rumpftraining lässt sich in den eigenen vier Wänden problemlos absolvieren. Die Stabilität kann man verbessern, indem man auf einer unebenen Unterlage auf einem Bein zu stehen versucht und dabei der Rumpf in der Mitte bleibt.

Wie trainiert man denn die verschiedenen Muskeln?

Für die Beinmuskulatur eignen sich beispielsweise Kniebeugen oder Ausfallschritte. Die Gesässmuskulatur stärkt man mit der «Brücke» – in Rückenlage die Beine anstellen und das Gesäss so weit wie möglich nach oben drücken. Den Trainingseffekt steigert man mit Zusatzgewichten. Auch «Plank», das Brett, sprich Unterarmstütz stärkt die Rumpf- und Schultergürtelmuskulatur. Das Krafttraining ist effektiv, wenn es anstrengend ist und man sollte die Regenerationszeiten einhalten.

Gut ist auch, wenn man im Alltag die Treppe nimmt anstatt den Lift.

Was kann man während des Pistensports tun?

Am besten nur mit guter körperlicher Fitness antreten. Dann die Pistenregeln beachten, Schutzausrüstung wie Helm oder Rückenpanzer empfiehlt sich ebenfalls.

Während des Tages genügend Flüssigkeit und Energie zuführen. Und ja, die Flüssigkeit sollte nicht alkoholhaltig sein.

Gut ist auch, wenn man darauf achtet, dass man erholt zum Skifahren geht.

Wie sieht’s mit aufwärmen vor dem Pistensport aus?

Das hilft sehr viel, denn kalte Muskeln sind viel anfälliger auf Verletzungen. Wichtig ist auch, dass man die Pistenverhältnisse berücksichtigt. Schlechte Sicht beispielsweise ist sehr gefährlich.

Aber auch das Material sollte gut auf die Fähigkeiten der Sportler*innen abgestimmt sein. Das heisst, ich muss sicher sein, dass ich das Sportgerät mit meinen Muskeln kontrollieren kann.

Was macht man nach dem Skifahren?

Après-Ski! (Lacht)

Warm duschen ist gut, allenfalls nach Bedarf dehnen oder dann ins Bogn oder in die Sauna, dort kann sich die Muskulatur gut erholen.

Welches sind denn die häufigsten Verletzungen?

Skifahrer*innen verletzen sich meistens die unteren Extremitäten, das Becken, den Rücken und die Rippen, Snowboarder*innen die oberen Extremitäten (Schulter, Handgelenk) und den Rücken. Es gibt auch welche, die sich zum Beispiel gleichzeitig den Oberarmknochen und den Oberschenkelknochen brechen. Gehirnerschütterung ist disziplinenübergreifend. Es passieren übrigens auch viele Unfälle mit Verletzungsfolgen beim Schlitteln.

Und die Verletzungen?

Frakturen (Knochenbrüche) von Oberschenkel, Unterschenkel, Sprunggelenk, Becken, Wirbelkörper, Oberarm, Schlüsselbein, Handgelenk und Weichteilverletzungen: Riss vom vorderen Kreuzband, Knie-und Schulterdistorsionen.

Dagegen würde Training auch helfen?

Gerade für Leute, die das ganze Jahr im Büro sitzen und sich wenig bewegen, ist es eine körperliche Überbelastung, wenn sie plötzlich sechs Stunden Ski fahren. Der Körper kennt das nicht. Oft passiert’s auch auf der Talabfahrt, wenn man schon müde ist.

Krafttraining stärkt nicht nur die Muskulatur, sondern auch die Knochen und Gelenke und steigert die Leistungsfähigkeit. Wer regelmässig die Muskelkraft, Stabilität und Koordination trainiert, ist weniger anfällig für Verletzungen und wenn es doch passiert, ist man im Kraftaufbau nach der Verletzung schneller als Untrainierte.

Lässt sich das Training mit Aufbaupräparaten «abkürzen»?

Eher nicht. Sinnvoll ist allerdings, nach dem Krafttraining Protein, also Eiweiss, zu sich zu nehmen. Vitamin D, sprich Sonnenlicht, ist auch gut für starke Knochen.

Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass in einer gesunden Ernährung genügend Aufbaupräparate stecken.

Falls es mal zwickt oder einen eine Verspannung plagt, soll man sich selber etwas «kneten»?

Da sage ich als Physiotherapeutin natürlich ganz entschieden «Nein».

Haben Sie sich auch schon verletzt?

Ich wusste, dass diese Frage kommt…

Ja, einmal bin ich auf einer verdeckten Eisplatte ausgerutscht und habe mich an der Schulter verletzt, allerdings nicht schlimm.

Weil ich in Belgien aufgewachsen bin, habe ich erst im Alter von 25 Jahren mit Snowboarden begonnen, da steht man nicht ganz gleich locker auf dem Brett wie jene, die das schon von Kindsbeinen an machen.

Und wie bereiten Sie sich auf die Saison vor?

Ich mache das ganze Jahr über Krafttraining, zu Hause und hier im Therapiecenter im Ospidal. Zudem gehe ich im Sommer viel biken und schwimmen.

Dann sind Sie bereit für die Wintersaison?

Ja, nun hoffe ich nur noch auf viel Schnee.

Elke Cloet ist Leiterin Physiotherapie im Center da Sandà Engiadina Bassa (CSEB). Sie ist vorbereitet auf die Wintersaison, da sie im Sommer viel Biken geht und regelmässig Krafttraining macht.

Elke Cloet empfiehlt für den Pistensport ein Training in den Bereichen Muskelkraft, Stabilität und Koordination.
Elke Cloet empfiehlt für den Pistensport ein Training in den Bereichen Muskelkraft, Stabilität und Koordination. © zvg

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