Die internationale und erfahrene Truppe der Raftingguides von Engadin Adventure.
Die internationale und erfahrene Truppe der Raftingguides von Engadin Adventure. © Jürg Wirth

Die ganze Welt im Boot

Jürg Wirth Die Raftguides bei Engadin Adventure kommen aus der ganzen Welt und fast alle sind älter als 40. «Das macht Sinn», meint ihr Chef, George Hein. Weshalb erfahren Sie in diesem Text und auch weshalb einige von ihnen im ewigen Sommer leben.

«Ich glaube, die älteren Einheimischen haben grossen Respekt vor ihrem Fluss, dem Inn», führt George Hein aus. Tatsächlich kenne er wenige Einheimische, die ihre Freizeit auf dem Inn verbringen, begründet George seine Aussage. Die Jüngeren seien aber anders, was die ausgebuchten Raftingtrips beim Ferien(s)pass belegten. Auf dem Inn braucht man sehr erfahrene Raftguides, mit langjähriger Praxis im Umgang mit Wildwasser, schliesslich sind es die anspruchsvollsten Strecken der Schweiz. Und deshalb gäbe es auch keine einheimischen Raftguides bei Engadin Adventure. Es habe bis jetzt deren zwei gegeben, blickt George auf die 20 Jahre zurück während er bei Engadin Adventure ist. Er selbst ist allerdings als Raftguide und Snowboardlehrer gekommen und dann geblieben. Nun ist George aber nicht derjenige, der jammert und hadert, nein im Gegenteil, er hat aus der Not eine Tugend gemacht und Raftguides aus der ganzen Welt eingestellt. Die Guides kommen aus Argentinien, Frankreich, Schottland, Nepal und England, respektive Österreich. Sie heissen Esteban Gonzalez, Julien Belot, Alex Aitken, Hari Ale, und Toby Saxton und sie leben quasi im Wasser oder eben darauf.

George Hein ist der Leiter von Engadin Adventure und hat seine Karriere auch als Raftingguide gestartet.
George Hein ist der Leiter von Engadin Adventure und hat seine Karriere auch als Raftingguide gestartet. © Jürg Wirth

Nesthäckchen aus Nepal

Hari Ale Magar beispielsweise, mit 29 Jahren das Nesthäckchen der Gruppe ist in Trishuli in Nepal aufgewachsen. Wer noch nie von diesem Ort gehört hat, dem bestätigt ein Klick im Internet, dass es sich dabei um ein wahres Raftermekka handelt. Hari konnte also gar nicht anders als auch Raftguide zu werden. Dabei hat er sein Metier von der Pike auf gelernt. «Erst sind wir vor allem im Fluss geschwommen», erzählt er. Dann hätten sie auch Kajaks ausprobiert und immer hätten sie die diversen Raftingboote beobachtet, die auf dem Fluss unterwegs waren. Logisch also, dass sich Hari Ale nach seinem Schulabschluss für die Ausbildung zum Raftguide einschrieb. Danach arbeitete er erst in Nepal und gelangte dann nach Interlaken, wo ihm ein Kollege von Scuol erzählte, wo er nun seine erste Saison absolviert. Bis im September ist er noch angestellt, danach geht er nach Nepal. Weil er dort als Raftguide arbeitet und weil dann dort grad Sommer ist, bis er im nächsten Sommer wieder nach Scuol kommt. Never ending summer also.

Hari Ale Magar ist in einem Raftingmekka in Nepal aufgewachsen.
Hari Ale Magar ist in einem Raftingmekka in Nepal aufgewachsen. © Jürg Wirth

Vom ewigen Sommer nach St. Anton

«Das hatte ich mal sieben Jahre am Stück, den Sommer», erzählt Toby Saxton. Saxton ist ziemlich gross, trägt das Haar lang und spricht – zur allgemeinen Überraschung – Tiroler Dialekt. Das kommt daher, dass er seit 20 Jahren bei St. Anton lebt. Dorthin gekommen ist er, nachdem er nach sieben Jahren genug vom Sommer hatte.

Seine Liebe zum Wasser gründet aus seiner Kindheit und Jugend und dem Klettern. Denn einst war er ein fanatischer Kletterer, bis er im Alter von 14 beide Mittelfinger gebrochen hatte und nicht mehr Klettern konnte. Also wechselte er aufs Wasser, aber auch da nicht halb sondern ganz. Er begann mit Kajak und war kurz darauf Teil des britischen Kajakteams. Sieben Jahre sei er um die Welt gezogen, bis ihm allmählich die Lust auf die Wettbewerbe abhanden gekommen sei.

Darauf zog er nach Norwegen, stieg vom Kajak ins grosse Schlauchboot um und wurde Raftguide. Norwegen war aber nur eine Station, zu der noch andere in insgesamt 32 verschiedenen Ländern dazukamen.

Mittlerweile ist Saxton 42 Jahre alt und findet, dass das Alter Qualität bringt. In Scuol arbeitet er seit 2009, weil Fletch, der Vorgänger von George ihn angeworben hatte. Ab und an macht er nur Vor- und Nachsaisons, weil die ausländischen Guides nur Bewilligungen für drei Monate bekommen. Dazwischen reist er wieder in den richtigen Sommer nach Indien oder Südafrika. Doch auch den Winter schätzt Toby sehr. So sehr, dass er zu der Zeit nur noch kleine Jobs annimmt. «So habe ich genügend Zeit zum Skifahren», schmunzelt der Hüne.

Toby Saxton war vor dem Raften Kletterer. Er stammt aus England und wohnt in St. Anton.
Toby Saxton war vor dem Raften Kletterer. Er stammt aus England und wohnt in St. Anton. © Jürg Wirth

Zwischen Krokodilen und Flusspferden

Gar 46 Jahre alt ist Alex Aitken und gebürtiger Schotte. Doch zu alt sei man nie, meint er scherzhaft, und Erfahrung bringt er zweifellos mit, nicht nur wegen des Alters. Aufgewachsen in Saudiarabien, wo der Vater arbeitete, kehrte er mit neun Jahren wieder nach Schottland zurück, wo er mit Kajaking begann. Als Zwölfjähriger wechselte er zum Rafting und blieb dabei. Auch er hat schon fast die ganze Welt gesehen und natürlich ganz viele Flüsse. Besonders ins Schwärmen kommt er, wenn er vom blauen Nil erzählt. Der fliesst von Äthiopien durch den Sudan bis nach Ägypten. Allerdings mittlerweile unterteilt durch einen Damm zwischen Äthiopien und dem Sudan. Bevor dieses Bauwerk fertig war, unternahm er einen 35-Kilometer-Raft. Die Frage, ob das nicht gefährlich sei, bejaht er sofort und zählt Krokodile, Flusspferde oder je nach dem auch Einheimische als grösste Gefahren auf. Deliverance lässt grüssen. Die politische Lage klammert er aus. Mit einem Lächeln im Gesicht, könne man mit allen Leuten dealen, erklärt er sein Rezept. Die Krokodile seien viel gefährlicher, fügt er nochmals an. Trotzdem liebt er es, auf den Flüssen zu sein, denn diese brächten einen an Orte, wo man sonst nie hinkäme. Das ist beim Inn jetzt zwar nicht unbedingt der Fall, trotzdem arbeitet er schon die siebte Saison hier. Und auf dem Fluss bleiben will er, bis er stirbt, sagt er. Und wer das Funkeln in seinen Augen sieht, glaubt ihm aufs Wort.

Alex Aitken ist Schotte und hat schon den «Blue Nile» zwischen Äthiopien und Sudan befahren.
Alex Aitken ist Schotte und hat schon den «Blue Nile» zwischen Äthiopien und Sudan befahren. © Jürg Wirth

Die Guides als Familie

Eher noch nicht so mit der Pension oder dem Ableben befasst sich Julien Belot, 42 Jahre alt. Der Franzose ist seit 24 Rafter und hat auch in Norwegen angefangen, allerdings nicht in der gleichen Base wie Toby Saxton. Hätte aber gut sein können, denn die Welt der Rafter ist gar nicht so gross und die meisten würden sich untereinander kennen und sich auch gegenseitig Jobs vermitteln, sagt Julien. Das Linkedin des Wassers sozusagen. Genauso wie ihn die Welt des Wassers fasziniert, fasziniert ihn die Welt überhaupt und dass er als Raftguide mit der ganzen Welt zusammenarbeiten kann. Mittlerweile arbeitet er bereits vier Saisons in Scuol und wohnt in Pfunds.

Julien Belot ist Franzose und hat in Norwegen mit Raften begonnen.
Julien Belot ist Franzose und hat in Norwegen mit Raften begonnen. © Jürg Wirth

Vizechef aus Argentinien

Argentinien ist zum Beispiel so ein Teil der Welt und von dort kommt Esteban Gonzalez. Der 43-Jährige arbeitet bereits seit 14 Jahren in Scuol und ist nebst George der Vizechef. Er lebt im Winter ebenfalls in Pfunds, im Sommer in Scuol und verbringt immer mal wieder Zeit in Argentinien, wenn nicht als Raftguide dann als Fliegenfischerlehrer. Ihm gefallen das familiäre Team in Scuol sowie die Gäste. Viele Stammgäste hätten sie, sagt er. Und wie zum Beweis läuft grad eine Gruppe in die Basis, welche Esteban herzlich begrüsst. Klar also, dass er auch nächstes Jahr wieder kommen will und sich wieder mit und zu der ganzen Welt ins Boot setzen kann.

Esteban aus Argentinien ist schon 14 Jahre in Scuol und will noch länger bleiben.
Esteban aus Argentinien ist schon 14 Jahre in Scuol und will noch länger bleiben. © Jürg Wirth

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