Man kann sich «warmplaudern»

Jürg Wirth Seit über einem Jahr betreiben Elias Tsoutsaios und Marcus Petendi den Podcast «Dus da nus» bei RTR und zudem noch das Format «Battas RTR?!» im Fernsehen. Im Interview mit ALLEGRA sprechen sie über ihre Arbeit, über ihr Verhältnis zum Romanischen oder übers Reden.

Redet Ihr gerne?

Marcus: Grundsätzlich ja. Es kommt aber auch immer auf die Umstände drauf an. Miteinander aber auf jeden Fall.

 

War das schon immer so?

Elias: Privat ist es wahrscheinlich eher so, dass ich schneller etwas sage und dann erst denke. Bei Marcus ist es umgekehrt. Tatsächlich gibt es auch Zuhörerinnen und Zuhörer, die behaupten, ich rede mehr im Podcast. Das war wahrscheinlich auch schon früher so.

 

Wird man besser beim Reden, wenn man jede Woche eine Podcast-Folge abliefert?

M: Bei Alltagsgesprächen, bei denen ich vor dem Podcast bereits gestammelt habe, stammle ich heute immer noch. Die Hemmschwelle, sich zu öffnen, ist aber sicherlich tiefer, wenn man regelmässig persönliche Gespräche in einem öffentlichen Rahmen führt. Eine Unterhaltung auf Knopfdruck funktioniert sicherlich besser als am Anfang. 

 

War die Lancierung des Podcasts eine Bieridee, oder wie seid Ihr darauf gekommen?

E: Der Chefredakteur von RTR, Flavio Bundi, bat mich Anfang 2021, einen Podcast zu konzipieren. Meine erste Reaktion war: «Wer will das hören?», mein zweiter Gedanke war: «Wenn, dann nur mit Marcus!». Marcus, selbst ein fleissiger Podcast-Konsument, war sofort überzeugt und wir begannen nach einigen Wochen die ersten Pilotfolgen aufzunehmen, welche wir Freunden zur Rezeption schickten. 30 Episoden (!) und etwa ein halbes Jahr später begannen wir offiziell mit dem Podcast via RTR.

 

Wie wichtig war und ist dabei das Romanische? Natürlich ist alles auf Romanisch, dazu aber kleine Specials wie Wörter, die nach ihrer Bedeutung klingen (rasdé, remuorch, etc.) sowie Sprichwörter: «La sumbriva nu cuorra, scha’l sulai sta salda» / «Ün bun besch, fa ün nair paster».

M: In einer anderen Sprache würden wir, denke ich, keinen Podcast machen wollen. Da gibt es schon viel zu viele. Wir haben erst nach den ersten Folgen aufgrund des Feedbacks gemerkt, wie viel es unseren Zuhörerinnen und Zuhörern bedeutet, regelmässig Gespräche in ihrer Mutter-/Heimatsort-Sprache zu hören. In das Vorhaben, die Sprache aktiv zu fördern und mitzugestalten, sind wir von Folge zu Folge reingewachsen.

 

Habt Ihr da einen «Bildungsauftrag»?

E: Nein, wir haben keinen Bildungsauftrag. Solange wir uns an die publizistischen Leitlinien von RTR halten und unsere Podcasts liefern, sind wir sehr frei in der Gestaltung der Folgen. Da die Sprache ein essenzieller Teil der Identität des Podcasts ist, ist sie auch regelmässig Thema des Gesprächs.

 

Apropos Bildung: Wie habt Ihr den Romanischunterricht aus Eurer Schulzeit in Erinnerung?

M: Romanisch war für uns beide eine Fremdsprache, welche wir uns als Kinder möglichst schnell aneignen mussten. Die poetischen Ausdrucksmöglichkeiten haben mich bereits im Schulunterricht fasziniert. Eine Weiterentwicklung der Sprache wurde aber keineswegs toleriert, geschweige denn gefördert.

 

Was wäre zu verbessern?

E: Unsere ehemalige Linguistin bei RTR Anna-Alice Dazzi pflegte immer zu sagen, dass eine Sprache lebt und es in der Natur der Sprache liege, sich zu entwickeln und nicht starr zu bleiben. Natürlich sollte man nicht bei jeder Gelegenheit Wörter aus anderen Sprachen benutzen. Es sollte jedoch Raum für neue Wörter haben, und gleichzeitig braucht es nicht für jedes Wort eine romanische Übersetzung, genauso wie das auch bei anderen Sprachen der Fall ist.

 

Versucht Ihr auch, Romanisch trendiger oder moderner zu machen – oder ist es das sowieso schon?

M: Ich denke nicht, dass es funktioniert, irgendetwas bewusst trendiger zu machen. Mich schaudert es zum Beispiel bei den romanischen Vorschlägen «rapunz» (Rapper) und «mesapipa» (Half Pipe).  Sprache bleibt aktuell und spiegelt den Zeitgeist wider, wenn man sie nur lässt. Das sollte meiner Meinung nach ein organischer Prozess bleiben.

 

Wie sind eigentlich die Reaktionen auf die Podcasts?

E: Viele Menschen hören den Podcast, weil er auf Romanisch ist und weil er Themen anspricht, die sonst bei RTR vielleicht weniger Aufmerksamkeit bekommen. Die Zuhörerinnen und Zuhörer identifizieren sich mit dem Inhalt und der Sprache und ertappen sich dabei, selbst mitdiskutieren zu wollen. Wir hören oft, dass sie sich fühlen wie eine Fliege an der Wand während eines privaten Gesprächs. Dass wir einen solchen Raum kreieren dürfen, ist sehr schön.

 

Und wie viele Leute hören das so, und werden es immer mehr?

M: Unsere Zielgruppe ist natürlich begrenzt und nicht riesig. Trotzdem haben wir das Glück, dass die Zuhörerschaft immer noch konstant wächst. Auch bei Menschen, welche gerade erst Rätoromanisch lernen. Aktuelle Zahlen haben wir keine, und die Statistiken der grossen Plattformen sind etwas intransparent. Im Jahr 2024 waren es über alle Plattformen hinweg zwischen 500 und 700 Zuhörerinnen und Zuhörer pro Episode.

 

Muss man mehr erleben als Podcaster, damit man jede Woche eine Stunde füllen kann?

E: Es hilft, öfters unterwegs zu sein, egal wo. So doof es klingt, das Leben schreibt unzählige Geschichten, die in einem offenen Format wie unserem gut funktionieren. Oft sind es dabei die banalsten Situationen, z. B. im öV oder bei der Arbeit, welche die witzigsten Geschichten hervorbringen.

 

Oder erlebt man Situtaionen vielleicht intensiver/bewusster?

M: Man ertappt sich definitiv dabei, wie man Alltagssituationen als Podcast-würdig und -unwürdig einstuft. Man geht achtsamer durch seine Umwelt.

 

Kann man sich auch «warmplaudern», heisst, nach einer Aufwärmphase läuft das Gespräch von selbst?

E: Bis zu einem gewissen Grad kann man sich etwas «warmplaudern». Das hilft jedoch nicht zwingend für ein gutes Gespräch. Das Gesprächsthema und wie es beim Gegenüber räsoniert und nicht zuletzt unsere Tagesform haben da einen grösseren Einfluss. 

 

Wie viel am Podcast ist Vorbereitung respektive vorbereitet, wie viel spontan oder wie plant Ihr eine Folge?

M: Gemeinsam vorbereitet wird kaum etwas. Manchmal sprechen wir uns unter der Woche ab, falls wir gerne ein wichtiges aktuelles Thema besprechen möchten, damit wir auch ein informiertes und auf Fakten basiertes Gespräch führen können. Als Angebot von RTR haben wir auch einen gewissen Anspruch, sind Teil des Service Public. Auch falls wir in einer Rubrik, z. B unsere Lieblingsdüfte/Gestänke besprechen möchten, definieren wir das im Voraus. Alles andere bereiten wir jeweils individuell und ohne Absprache vor.

 

Nun seid Ihr nicht nur Podcaster, sondern auch die Klaas und Jokos von RTR mit dem Format Battas, wie erlebt Ihr das alles? Was kommt da noch?

E: Wir sind da eher reingerutscht, als dass wir uns das ausgesucht haben. Es hilft jedoch, dass die Formate «Ils Dus Da Nus» und «Battas RTR?!» unsere Konzepte waren. Was also noch kommt, hängt davon ab, wie gut die Formate funktionieren und welche zukünftigen Ideen von der Chefredaktion ermöglicht werden. In dieser Nische der «jugendlichen Unterhaltung» fühlen wir uns aber momentan ganz wohl.

 

Wie viel Zeit bleibt da noch für die Musik?

M: Musik war für uns beide immer eine Leidenschaft, welche neben dem Berufsleben Platz findet. Neben dem Podcast oder dem erwähnten «Battas RTR?!» veröffentlichen wir auch immer wieder Songs unter der Marke «Ils Dus Da Nus». Dass wir in unserem Beruf an Sachen arbeiten dürfen, für die wir so brennen, ist natürlich ein riesiges Privileg. Die Musik, welche wir neben dem Beruf machen, «Tawnee» (Elias), «Happy For Real» (Marcus), ist für uns aber immer noch ein wichtiger Ausgleich, welcher unabhängig von unserer Arbeit bei RTR stattfinden darf und soll.

 

Und wie viele Podcast-Folgen sind das Ziel?

E: Pro Jahr publizieren wir 30 Episoden, und das Jahr 2026 wurde bereits bewilligt. Es werden also, wenn nichts schiefläuft, sicher noch die 150 geknackt und dann schauen wir weiter. Ein langfristiges Ziel gibt es nicht, wir machen es nur solange es für uns stimmt und wir dahinterstehen können.

 

 

Elias Tsoutsaios und Marcus Petendi sind beide im Unterengadin aufgewachsen, allerdings nicht in Rätoromanisch sprechenden Haushalten. Umso mehr haben sie sich in die Sprache hineingekniet und gehören heute zu deren Promotoren. Beide machen auch noch Musik, früher gemeinsam bei Indefinied Illness, heute bei Tawnee (Elias) und Happy for Real (Marcus).

Elias Tsoutsaios und Marcus Petendi sind ils dus da nus.
Elias Tsoutsaios und Marcus Petendi sind ils dus da nus. © zvg

Das könnte Sie auch interessieren