In der alten Siedlung Gonda gibt es noch Johannisbeeren aus dem 17. Jahrhundert.
In der alten Siedlung Gonda gibt es noch Johannisbeeren aus dem 17. Jahrhundert. © Jürg Wirth

Wilde und kultivierte Früchte

Jürg Wirth Jetzt sind sie wieder reif, die Beeren und Äpfel, die kultivierten und die anderen. Woher sie kommen und wie lange es sie schon gibt? Lesen Sie selbst.

Die Zahmen wachsen im Garten, die Wilden irgendwo. Und wie im richtigen Leben sind die Wilden interessanter, weil fruchtiger, herber, ursprünglicher oder auch saurer. Die Rede ist von allerlei Beeren und Früchten, welche jetzt ihre beste Zeit haben. Zumindest aus Sicht ihrer Verzehrerinnen und Verzehrer, also uns. Johannisbeeren zum Beispiel, in hiesigen Gärten omnipräsent und ab Mitte bis Ende Juli in knalligem Rot leuchtend und bereit zur Ernte. Andernorts jedoch, sprich in tieferen Lagen, reifen sie früher und sind um den 24. Juni pflückreif. Und weil der 24. Juni der Johannistag ist, heissen sie – genau, Johannisbeeren. In den Gärten gibt’s diese mittlerweile in den unterschiedlichsten Ausführungen, wobei die favorisierte Sorte des Schreibenden «Champagne» heisst. Deren Beeren sind blassrosa, fast ein wenig transparent und überzeugen durch nur eine leichte Säure, sind fast schon süss, zahm eben, aber ja… Daneben gibt es noch unzählige andere Variationen, wie ein Blick auf die einschlägigen Seiten zeigt. 

Beeren aus dem 17. Jahrhundert

Draussen sind es einfach Johannisbeeren, respektive Alpenjohannisbeeren. Sie sind deutlich säuerlicher, meist auch kleiner, doch vermögen einen gerade auf einer Wanderung oder einem längeren Spaziergang umso mehr zu erfreuen, weil unverhoffte, aber sehr willkommene Fast-Durstlöscher, Vitaminlieferanten und Frischekicks. Während man sich die Beeren in den Mund schiebt, liesse sich auch kurz darüber nachdenken, wie denn die Pflanzen überhaupt an alle möglichen und unmöglichen Orte gelangen. Vögel, lautet hier eine der Lösungen, aber auch Marder, Füchse, Dachse oder andere Tiere. Diese verzehren die Beeren und scheiden die Samen irgendwo anders wieder aus. Und wenn sie dort auf fruchtbaren Boden fallen, vermögen sie sich zu einem neuen Busch zu entfalten. Eine andere Frage wäre dann noch, wie lange es diese Büsche schon gibt und wie sie entstanden sind. Der zweite Teil lässt sich hier nicht beantworten, höchstens mit einem kleinen Verweis auf den allmächtigen Schöpfer, der jedoch nicht alle befriedigen wird. Zum ersten Teil sagt Romedi Reinalter, Botaniker aus Brail: «schon lange». Denn er hat in der abgegangenen Siedlung Gonda «antike» Johannisbeer- und Stachelbeerstauden gefunden.

Gonda ist ein aufgegebenes Dorf zwischen Lavin und Guarda. Erstmals urkundlich erwähnt wurde es 1161/64 und entwickelte sich bis ins 13. und 14. Jahrhundert zu einem stattlichen Dorf. Chronist Ulrich Campell beschrieb Gonda im Jahre 1573 als grösseren Weiler mit etwa 30 Häusern. 1742 mag Nicolin Serrerhard in seiner «einfalten Delineation» nur noch von einem längstens abgegangenen und unbewohnten nachbarschaftlichen «Ganda» zu berichten. Über den Grund der Aufgabe wird bis heute spekuliert, am wahrscheinlichsten scheint die These, dass ein Brand, dem 1573 neun Häuser zum Opfer fielen, sowie die Plünderungen und Brandschatzungen Baldiruns 1621/22 zur Aufgabe Gondas beigetragen haben. Doch wir schweifen ab.

Jedenfalls hat Reinalter in einem an eine Hausruine angrenzenden Garten ca. 15 Johannisbeersträucher entdeckt. Seit dem 17. Jahrhundert seien die immer gewachsen, wobei sich die Büsche ständig verjüngten und erneuerten und die alten Holzteile abgestossen hätten, weiss er zu berichten. 

Im selben Garten entdeckte er auch Stachelbeeren, was durchaus Sinn ergibt, weil die Johannisbeeren zur Familie der Stachelbeergewächse gehören. Weiter entfernt, zwischen Gonda und Giarsun, gäbe es eine kleinere Ansammlung von Stachelbeerbüschen, diese seien von Vögeln verteilt worden, ist er überzeugt. 

Wilde Beeren sind im Gegensatz zu den kultivierten oft noch etwas säuerlicher.
Wilde Beeren sind im Gegensatz zu den kultivierten oft noch etwas säuerlicher. © Jürg Wirth

100-jähriger Apfelbaum

Bei wilden Beeren lauert immer auch ein wenig die Verwechslungsgefahr mit weniger geniessbaren oder sogar giftigen Exemplaren, so auch bei der Johannisbeere. Die rote Heckenkirsche ähnelt ihr leicht, doch diese ist ungeniessbar und sogar giftig. 

Nicht nur Beeren wachsen wild, sondern auch Kirschen, hier vorab die Vogelkirsche oder Süsskirsche. Als Nahrungsmittel sind sie aber eher den Vögeln vorbehalten. Diese jedoch geniessen die reifen Früchte sehr und lassen sich dabei auch ausgiebig und intensiv beobachten. 

Doch nicht nur Beeren und Kirschen wachsen wild, sondern auch Äpfel. Ebenfalls scheinbar zufällig in der Landschaft verteilt. Romedi weiss von einem Baum, oder eher Strauch, in Brail, dessen Früchte jedes Jahr früher reif und süsser würden.

Dann kennt er noch einen Baum am Verbindungsweg zwischen Lavin und Guarda, ungefähr in der Streckenhälfte gelegen. Sicher hundert Jahre alt sei dieser, sagt Romedi Reinalter. Früchte trägt der Baum jedes Jahr und essen kann man diese ebenfalls, doch auch sie sind noch etwas säuerlicher als die kultivierten Halbgeschwister. Wild eben und noch ungezähmt.

Am Weg nach Guarda steht ein über 100-jähriger Apfelbaum.
Am Weg nach Guarda steht ein über 100-jähriger Apfelbaum. © Jürg Wirth

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