Diese geballte Kraft an Glauben und Hingabe zu Gott schenkt Zuversicht

Jürg Wirth Seit 2007 war Elke Larcher im Kloster Müstair als Leiterin Museum und Öffentlichkeitsarbeit tätig. Nun wechselt sie als Leiterin Museumsbetrieb des Stiftsbezirks St. Gallen zum Kloster St. Gallen. Im Interview blickt sie zurück auf ihre Arbeit in Müstair und die spirituellen Seiten dieses Tuns.

Haben Sie sich schon mal überlegt, Nonne zu werden?

Um Nonne zu werden, braucht es eine eindeutige Berufung und einen tiefen Glauben. Wenn die Klosterfrauen von Müstair von ihren Berufungsgeschichte erzählen, dann geht das direkt unter die Haut. Der Schritt ins Kloster erfordert Mut. Auch wenn mein Weg ein anderer war, so habe ich mich doch intensiv mit der Regel des hl. Benedikt, dem Ordensvater der Benediktinerinnen, befasst und auch eine Zeit lang mit den Nonnen von Müstair gelebt. Ich wollte das Leben der Benediktinerinnen kennen und verstehen lernen. Diese Erfahrung konnte ich in meiner Aufgabe als Kommunikationsverantwortliche für das Kloster einfliessen lassen, und auch privat habe ich davon profitiert. Die Regel des hl. Benedikt ist für mich immer wieder aufs Neue Inspirationsquelle.

Sie waren seit 2007 im Kloster Müstair als Leiterin Museum und Öffentlichkeitsarbeit, was fasziniert Sie so am Kloster?

Das Kloster St. Johann in Müstair ist seit seiner Gründung im 8. Jahrhundert stets bewohnt geblieben. Seit 1247 Jahren ertönen Tag für Tag die Psalmengesänge in den Klostergemäuern; hinzu kommen weitere Gebete und der tägliche Rosenkranz. Diese geballte Kraft an Glauben und Hingabe zu Gott schenkt Zuversicht und ein inneres Gefühl des Erfülltseins und der Stabilität. Das ist die eine Seite des Klosters Müstair – die «spirituelle». Die andere Seite zeigt sich in dem immensen Kulturschatz, der 1983 in der Auszeichnung des Klosters zum UNESCO Weltkulturerbe mündete. Das Kloster St. Johann in Müstair ist wie eine Wundertüte, die nie versiegt: historisch wertvolle Wandmalereien, marmorne Flechtwerksteine, Kunstschätze und Architektur aus zwölf Jahrhunderten bestechen durch ihre Schönheit und historische Bedeutung. Das ist die andere Seite des Klosters Müstair – die «kunsthistorische». Das Schöne an meiner Arbeit in Müstair liegt in der Herausforderung, eben diese beiden Welten zueinander zu bringen und nach aussen zu vermitteln.

Was waren genau Ihre Aufgaben?

Ich sehe mich ein bisschen als «Scharnier» zwischen Klosterwelt und Aussenwelt. Es geht mir darum, mit Feingefühl Aussenstehenden die Welt der Benediktinerinnen hinter den Klostermauern nahezubringen und andererseits die Schätze des Klosters zu vermitteln und bekannt zu machen. Als Leiterin des Museums und Verantwortliche für die Kommunikation ist auch die Vernetzung mit kulturellen und touristischen Partnern von grosser Bedeutung.

Ein Kloster ist ja etwas durchaus Beständiges, wie bringt man da neues Leben und frischen Wind rein?

Ich bin überzeugt, dass das eine das andere nicht ausschliesst. Ich glaube, dass die Beständigkeit nicht nur den Konvent an sich, sondern das Kloster auch als architektonisches Ensemble auszeichnet. Diese Beständigkeit strahlt Ruhe und Sicherheit aus, lässt aber auch neues Leben und frischen Wind zu.

Weshalb interessieren sich Leute für Klöster?

Klöster inspirieren und faszinieren. Sie sind ein Ruhepol in unserer sich schnell wandelnden Welt, sie strahlen Geborgenheit aus und sind Kraftorte. Wir Menschen sehnen uns alle nach Orten, an denen wir auftanken und ein Stückchen mehr zu uns selbst finden können.

Hat das Interesse eher zu- oder abgenommen in letzter Zeit?

Ich denke, dass das Interesse am Kloster Müstair zugenommen hat. Dies ist wohl einerseits auf die Bekanntheitssteigerung und andererseits auf das wachsende Interesse an Klöstern zurückzuführen.

Klöster haben bedeutende Geschichten, was davon ist alles sichtbar in Müstair?

Wenn ich alles bedeutend Sichtbare aufzählen möchte, würde dies einen eigenen, langen Artikel füllen. In Müstair sind über 1200 Jahre Bau-, Kultur- und Kunstgeschichte zu sehen und zu erleben. Um all dies zu entdecken, bietet sich ein Besuch vor Ort an.

Klöster gehören zur katholischen Kirche, die hat eine eher schwierige Geschichte, wie bringt man dies in Einklang?

Die Katholische Kirche als Institution hat einen schweren Stand. Das Kloster St. Johann in Müstair ist davon weniger betroffen. Ich denke aber, dass Offenheit und Demut eine Antwort auf diese schwierige Situation sein könnten.

Wie macht man aus einem Kloster eine Tourismusattraktion?

Ich denke nicht, dass dies ein primäres Ziel eines Klosters ist. Als UNESCO-Welterbe aber ist nicht nur der Schutz und die Pflege der historisch bedeutenden Gemäuer und Kunstschätze wichtig, sondern auch die Vermittlung. Kulturelle Teilhabe ist in aller Munde – auch diese gehört zur Aufgabe einer Welterbestätte. Im Kloster Müstair geht es immer um eine Gratwanderung zwischen «Vermarktung» nach aussen und «gelebter Spiritualität» nach innen. Dabei sind Respekt, Toleranz und gegenseitiges Vertrauen die wichtigsten Zutaten.

Und wie heikel ist die Vermarktung des Klosters und dessen Geschichte? Geht da nicht der Geist verloren?

Der «klösterliche» Geist ist mit Bestandteil des Klosters Müstair und zeichnet es als lebendiges Kulturgut aus. Andere Menschen an dieser Spiritualität und an der Geschichte teilhaben zu lassen, bereichert sowohl die Gäste als auch das Kloster selbst.

Was waren Ihre faszinierendsten Erlebnisse im und mit dem Kloster?

Da gäbe es eine ganze Liste! Das wohl innigste Erlebnis war für mich meine Klosterwoche. Eine Woche lang habe ich mit den Schwestern nach dem benediktinisch geregelten Rhythmus des «ora et labora et lege» gelebt und dadurch die Möglichkeit erhalten, mich etwas in das Leben hinter den Klostermauern einzufühlen. Es war für mich eine sehr bereichernde Zeit, persönlich und beruflich. Mich hat erstaunt, wie «frei» ich mich damals hinter den Klostermauern in Klausur fühlte.

Faszinierend waren für mich auch all die Klosternächte, die ich konzipieren und organisieren durfte. Bei diesem Ereignis war es mir stets ein Anliegen, die zwei Welten Kloster und Welterbe näher zueinander zu bringen. Es war schön zu sehen, wie viel Interesse dieser Anlass stets hervorrief und wie erfüllt unsere Gäste nach der Klosternacht nach Hause gingen.

Auch privat gab es zwei schöne Anlässe im Kloster, die ich gemeinsam mit der gesamten Schwesterngemeinschaft feiern durfte: meine Hochzeit und die Taufe unserer Tochter. Diese, zusammen mit vielen weiteren Erlebnissen, werden immer einen Platz in meinem Herzen finden.

Werden solche Orte der Einkehr und Stille wieder bedeutsamer?

Die Sehnsucht nach Einkehr und Stille steigt, und ich denke schon, dass gerade Klöster diese Sehnsucht stillen können.

Apropos bedeutsam, was bedeutet Ihnen die Ernennung zur Leiterin Museumsbetrieb des Stiftsbezirks St. Gallen?

Die Ernennung zur Leiterin des Museumsbetriebes Stiftsbezirk St. Gallen hat mich ausserordentlich gefreut. Es ist für mich eine neue Herausforderung, der ich mit Freude und Spannung entgegenblicke.

Wie schwierig war es, das Auswahlverfahren zu überstehen?

Ich habe mich auf die Gespräche gut vorbereitet und war authentisch. Dass der Katholische Konfessionsteil St. Gallen mich gewählt hat, war für mich persönlich ein schöner Erfolg.

Das ist nochmals eine Nummer grösser, haben Sie Respekt vor der Aufgabe?

Meine Aufgaben im Stiftsbezirk St. Gallen ähneln jenen in Müstair, und trotzdem wird es viel Neues zum Lernen geben. Ich freue mich darauf, meine Erfahrung und mein Wissen in das UNESCO-Welterbe St. Gallen einbringen zu können, und ich freue mich auch, Neues lernen zu dürfen.

Welches sind Ihre Ziele und Ideen?

Ideen und Visionen gibt es viele – eine davon ist sicherlich der Versuch, die beiden UNESCO-Welterbestätten Müstair und St. Gallen etwas näher zusammenzurücken. Es wäre schön, würde dies gelingen.

Wie steht es mit der Heimat in Südtirol?

Eine Südtirolerin bleibt eine Südtirolerin – ich denke, der Heimat bleibt man immer treu. Und nach 15 Jahren Müstair gehört ein Stückchen «Müstair» auch unweigerlich dazu. Das Tal – und vor allem das Kloster – habe ich fest in mein Herz geschlossen.

Eu m’allegr da mantegner contact cun la Val Müstair eir in avegnir! A bainbod!

Seit 2007 war Elke Larcher im Kloster Müstair als Leiterin Museum und Öffentlichkeitsarbeit tätig. Nun wechselt sie als Leiterin Museumsbetrieb des Stiftsbezirks St. Gallen zum Kloster St. Gallen.

Elke Larcher wechselt vom Kloster Müstair nach St. Gallen.
Elke Larcher wechselt vom Kloster Müstair nach St. Gallen. © Vera Rüttimann

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