Kinder sollten gut rechnen können

Lea Geyer, Giuliana Caviezel Wie hat sich die Schule im Laufe der letzten Jahrzehnte verändert? Was war früher anders als heute? Über solche und andere Fragen haben wir uns mit dem pensionierten Lehrer Erwin Salis aus Tschlin unterhalten. Er war 40 Jahre lang in Tschlin und Strada als Lehrer tätig.

Wie waren Sie in der Schule?

Ich war schon immer sehr motiviert, zur Schule zu gehen. Als ich damals noch Schüler war, verlangten die Lehrer*innen immer viel und eine genaue und saubere Arbeit. Da ich mich immer schon für Mathematik, Sport und Geschichte interessierte, waren dies nicht nur meine Lieblingsfächer, sondern auch Fächer, in denen ich gut war. Im Geschichtsunterricht faszinierten mich besonders die Geschichten aus der Region wie z. B. die Geschichte der Gemeinde Valsot. Somit war die Schule für mich nie langweilig.

Wollten Sie schon immer Lehrer werden?

Das würde ich nicht behaupten. Als Schüler wollte ich bei der Rhätischen Bahn arbeiten gehen. Natürlich fand ich es auch dort schon spannend, mehr über Strategien der Mathematik oder auch über unsere Weltgeschichte zu erfahren, jedoch hätte ich es mir damals nicht vorstellen können. Schlussendlich bin ich nach der Schule dann ein Jahr nach St.Gallen gegangen und habe dort einen Vorkurs besucht. Nach dieser Zeit blieb ich noch ein weiteres Jahr zu Hause, und in dieser Zeit beschloss ich, das Seminar als Lehrer in Chur zu beginnen.

Wie lange dauerte die Ausbildung?

Als ich mich für meinen zukünftigen Beruf entschieden habe, begab ich mich für eine lange Zeit nach Chur. Wenn man in diesen früheren Zeiten Lehrer*in werden wollte, musste man obligatorisch nach Chur, um dort eine fünfjährige Ausbildung zu absolvieren. In der Kantonsschule Chur waren nicht nur die jungen Leute, die Lehrer*in werden wollten, sondern auch Leute, die beispielsweise Ärzt*in werden wollten. Wir gingen alle im selben Gebäude ins Gymnasium, denn die Kantonsschule hatte vier Sektionen.

Wann haben Sie angefangen zu unterrichten?

Ich habe schon im letzten Jahr meines Seminares an meiner ersten Schule als Lehrer unterrichtet. Dieses System war zwar nicht besonders professionell, jedoch hatte ich grosse Freude zu unterrichten. Die Schüler*innen waren lernwillig und motiviert, das macht es dann für einen Lehrer wie mich noch viel spannender. Im Jahr 1962 habe ich dann angefangen, als Seminarist die vierte bis achte Klasse zu unterrichten.

Wo waren Sie schon als Lehrer angestellt?

Wie schon erwähnt, gab ich zuerst nur auf dem Land als Seminarist Unterricht, bis ich dann in meine Heimat Valsot zurückkam. Hier lehrte ich sieben Jahre im Schulhaus S-chadatsch. Später zogen wir ins neue Schulhaus nach Tschlin um. Bis zu meiner Pension habe ich dort mit Freude die Schüler*innen aus unseren Dörfern unterrichtet. Insgesamt war ich dann 40 Jahre als Lehrer tätig.

Welche Fraktionen hatten damals in S-chadatsch zusammen Schule?

Als ich 1962 angefangen habe, als Lehrer zu arbeiten, waren Tschlin, Strada, Chaflur und Martina alle im selben Schulhaus in S-chadatsch untergebracht. Bis unsere Infrastruktur in die Jahre kam und eine neue und modernere Schule in Tschlin gebaut wurde.

Wie sah die Schule damals aus?

Im Allgemeinen waren die Schulen sehr primitiv. Es fehlten viele praktische Hilfsmittel, die es dazumal noch nicht gab. Es war schwierig, ohne Kopierer oder Projektor zu arbeiten. Ich würde behaupten, dass mich das am meisten belastete.

Wie war Ihre Art und Weise zu unterrichten?

Ich würde schon behaupten, dass ich ein eher strenger Lehrer war. Ich hatte aber auch grosses Verständnis für die Schüler*innen, die nicht mit dem Tempo der anderen mithalten konnten oder schwächer waren. Von den anderen Schüler*innen erwartete ich dafür viel. Mir war es wichtig, dass sie gut rechnen können, auch die Hausaufgaben mussten immer ordentlich gemacht sein. Mit den Jahren wurde ich aber toleranter. Ich erwartete nicht mehr, dass alle alles wissen müssen.

Wie war Ihre Beziehung zu den Schüler*innen?

Ich gab mir sehr viel Mühe, auf die verschiedenen Schüler*innen einzugehen, denn alle hatten ein anderes Arbeitstempo. Ich bemühte mich, auf die Schüler*innen Rücksicht zu nehmen, die ein wenig schwächer waren. Den Schwächeren habe ich weniger Hausaufgaben aufgegeben oder einfachere Aufgaben. Von den Schlauen habe ich schon viel mehr verlangt, da die auch zeigen sollten, was sie alles können. Somit arbeiteten sie manchmal, bis es nicht mehr ging.

Welche Fächer hatten Sie am liebsten?

Seit meiner Kindheit liebte ich es zu singen. Somit war für mich klar, wenn ich Lehrer werde, dass ich sicher Singen unterrichten werde. Singen hat mir immer schon Spass gemacht und tut es immer noch. Doch nicht nur das Singen gefiel mir besonders gut, auch das Turnen war eines meiner Lieblingsfächer. Ich mochte es, in Bewegung zu sein und den jungen Leuten eine Sportart beizubringen. Geschichte ist auch ein Thema, das mich immer schon begeistert hat. Ich beschäftige mich auch heutzutage noch mit Geschichte.

Welche Klassen wurden von Ihnen unterrichtet?

Gleich am Anfang, als ich meine Schulung abgeschlossen hatte, kam ich nach S-chadatsch und unterrichtete von der 4. bis zur 8. Klasse. Dann, in den übrigen Jahren, unterrichtete ich immer die 4. bis zur 6. Klasse. Damals war das ganz anders, denn da gab es nur einen einzigen Lehrer, der alle Fächer lehrte und die Verantwortung für alle Schüler*innen trug.

Wie viele Schüler*innen waren in einer Klasse?

Das war immer unterschiedlich. Es gab Jahre, in denen ich Klassen mit nur fünf Schüler*innen unterrichtete, dann gab es aber auch wieder das Gegenteil mit Klassen, in denen 30 Schüler*innen waren.

Hatten Sie spezielle Rituale vor der Lektion?

Das ist eine gute Frage. Tatsächlich habe ich von meinen Schüler*innen vor dem Eintreten immer eine Kopfrechnung verlangt. Die musste exakt und möglichst schnell gelöst werden. Ich fand oder finde es immer noch wichtig, dass die Kinder gut rechnen können, darum machte ich das auch.

Was waren Ihre Bestrafungen für unartige Schüler*innen?

Hier muss ich ehrlich sagen, ich musste kaum Bestrafungen geben, da sich die Schüler*innen bei mir immer benommen haben. Natürlich kam es auch mal vor, dass dem einen oder der anderen ein Blödsinn einfiel. Dann gab ich denjenigen einfach mehr Hausaufgaben auf.

Was machten die Kinder in der Pause?

Da wir im Winter Eis zum Schlittschuhfahren zur Verfügung hatten, nutzten wir das oft. Im Sommer, wenn Sportprüfungen anstanden, trainierten unsere Schüler*innen auch dafür. Zum Beispiel machten wir Hochsprung oder Weitsprung wie auch kurze Sprints. Ein Pausenspiel, das bei uns früher auch bekannt war, ist Völkerball. Natürlich spielten unsere Jungs auch sehr gerne und auch oft Fussball.

Wie sahen die Schulreisen aus?

Bei uns gab es immer den Herbstausflug. Dort verreisten wir einen Tag lang und unternahmen etwas Schönes. Manchmal kam es auch vor, dass wir Ausnahmen machten und auch auswärts übernachteten. Meistens blieben wir in der Schweiz. Da wir aber grad an der Grenze wohnen, haben wir es aber auch schon ausgenutzt und sind nach Italien oder nach Österreich gefahren.

Was hat sich am heutigen Schulsystem geändert?

Am Schulsystem hat sich im Allgemeinen sehr viel verändert. Ich selbst würde aber behaupten, dass sich bei der Lehrerschaft am meisten verändert hat. Heute hat es viele Lehrer*innen für wenig Schüler*innen, fast für jedes Fach eine Lehrperson, und früher war eine Lehrperson für mehrere Klassen und für alle Schulfächer zuständig. Beides hat Vor- und Nachteile. Zu solchen Themen könnte man stundenlang diskutieren und trotzdem würden immer wieder neue Fragen auftauchen. Somit kommt man zu keinem Ergebnis.

Was würden Sie den Lehrpersonen von heute weitergeben?

Das Wichtigste für eine Lehrperson ist, dass man Rücksicht auf die verschiedenen Schüler*innen nimmt. Und dass man dies auch nutzen kann. So können die Guten ruhig viel arbeiten und andererseits die Schwächeren etwas weniger.

Erwin Salis war 40 Jahre lang Lehrer in Tschlin, wo er immer noch lebt und sich vor allem mit der Lokalgeschichte befasst.
Erwin Salis war 40 Jahre lang Lehrer in Tschlin, wo er immer noch lebt und sich vor allem mit der Lokalgeschichte befasst. © Lea Geyer

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