Gian Häfner aus Strada. Das Bild stammt aus dem Buch «Spiert engiadinais» von Fadrina Hofmann und Mayk Wendt.
Gian Häfner aus Strada. Das Bild stammt aus dem Buch «Spiert engiadinais» von Fadrina Hofmann und Mayk Wendt. © Mayk Wendt

Auf Schmugglers Pfaden...

Bigna Cantieni, Lynn Albertin Schmuggel gehört zum Unterengadin wie das Matterhorn zur Schweiz. Schon immer schmuggelte man über die Grenzen zwischen Italien und der Schweiz. «Oft schmuggelte man auch drei Wochen alte Kälber in kleinen, leichten Kastenwägen über die Grenzen», erzählte uns Gian Häfner aus Strada, mit dem wir uns über das Thema unterhielten.

Die «Blütezeit des Schmuggels» dauerte von den 1960ern bis Anfang der 1970er-Jahre. Die Schmuggler gingen oft in Gruppen, meist von drei bis vier Personen. Geschmuggelt wurden hauptsächlich Esswaren wie Kaffee und Saccharin, jedoch auch Zigaretten und Tabak.

Die Schmuggelware versteckte man in Kartoffelsäcken von 40 kg. Die Schmuggler trugen mehrere Säcke und liefen zu Fuss. Man schmuggelte Waren von der Schweiz nach Italien, um sie dort auf dem Schwarzmarkt teurer zu verkaufen. In der Schweiz konnte man das Saccharin billiger kaufen und in Italien viel teurer verkaufen, und das Gleiche passierte mit den anderen Waren.

Hier in der Gegend schmuggelten die Schmuggler die Waren grösstenteils zwischen dem Piz Lad und dem Piz Ajüz über die Grenze nach Südtirol (Italien), also über das sogenannte Grubenjoch. Manche schmuggelten auch drei Wochen alte Kälber in zweirädrigen, leichten Kastenwägen. An den Gebirgsgrenzen zwischen Italien und der Schweiz patrouillierten italienische Grenzwachen mit Hunden. Die Schmuggler nahmen Stöcke mit, um die Hunde abzuwehren, wenn sie zu nahe kamen. Wer von den Grenzwachen erwischt wurde, musste die Ware abgeben und wurde für ein paar Tage ins Gefängnis gesteckt. Die Schmuggler waren nicht dumm, und deswegen schmuggelten sie die Waren nur in der Nacht und bei schlechtem Wetter. Somit konnten die Grenzwachen sie nicht so schnell bemerken. Wenn man die Grenze erreicht hatte, versteckte man die Waren in Höhlen. Um die Ware sicher ins Dorf zu bringen, wurden sie zu einem Mittelsmann gegeben, und somit kassierte man dafür das Mehrfache eines Schweizer Tageslohns.

Meist schmuggelte man in der Nähe des Dreiländerecks. Wenn sie jemanden sahen, flüchteten sie über die Grenze. Somit war man schnell in einem anderen Land. Die Schmuggler erreichten auch den Laden in Strada. Es gab jedoch auch Fälle, in denen Schmuggler Schulden machten. Sie sagten, dass sie das nächste Mal zahlen würden, doch sie zahlten das Geld nie zurück. Somit klauten sie die Ware. Die Schmuggler hatten jedoch gute Gründe für das Schmuggeln, denn sie hatten wenig Verdienstmöglichkeiten in Italien.

Schmuggelte man Ware für andere Leute, z. B. für Geschäfte, so erhielt man das Fünffache des Tageslohns eines Waldarbeiters im benachbarten Vinschgau. Jedoch schmuggelte man auch für sich selbst, was noch gewinnbringender war. Man kaufte die Ware und verkaufte sie auf eigene Faust. Der Gewinn betrug hier rund das 16-fache des Tageslohns eines Waldarbeiters.

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