Jon Fadri Carpanetti vor seinem selbst gebauten Blockhaus.
Jon Fadri Carpanetti vor seinem selbst gebauten Blockhaus. © Jürg Wirth

Erfinder und kein Jammeri

Jürg Wirth Seit Kurzem steht auf dem Zeltplatz Sur En da Sent ein Blockhaus. Gebaut hat es Jon Fadri Carpanetti, doch gemacht hat er in seinem Leben schon viel mehr.

Jon Fadri Carpanetti, auch Bic genannt, ist kein Jammeri, dafür ein Erfinder. Ein Erfinder seiner selbst, sei es als Schwinger, Bauer, Forstwart, Blockhüttenbauer, Vater oder Freund. Gegenwärtig ist er grad «selbst gebaute-Blockhüttenbewohner», und das kam so. Oder eigentlich eher so: Nach der Trennung von seiner Frau und Mutter seiner geliebten Töchter Mia und Anna wohnte Bic im Wohnwagen. Erst in S-chanf, wo er als Forstwart arbeitete, nachdem er ursprünglich Zimmermann gelernt hatte. Erfinder eben, dann auf dem Campingplatz in Sur En bei Sent. Dort verhalf ihm dann die wirtschaftliche Situation zum Status des Blockhüttenbewohners. Denn die war grad suboptimal, also die wirtschaftliche Situation. Zumindest für die Terra Bau, bei der Jon Fadri Carpanetti angestellt war. Die Terra Bau wurde eingestellt - und Jon Fadri stand ohne Arbeit da, ohne bezahlte, wohlbemerkt. Dies war just vor dem letzten Winter, dann kam auch noch Corona. Doch Jon Fadri, eben kein Jammeri, machte sich daran, einen seiner Träume zu verwirklichen – das Blockhaus. Denn diese Idee trug er schon lange mit sich rum, eigentlich, seit er in S-chanf mit einem Arbeitskollegen ein ebensolches bauen durfte. Also erzählte er seinem «Vermieter» und Zeltplatzbetreiber Wolfgang Bosshard von der Idee. Dieser war durchaus angetan davon, solange die Idee nicht über die Dimensionen eines Wohnwagens hinauswachsen würde.

Schnee und Eis

Bic gab sein Wort und zog in den Wald, um Bäume zu schlagen. 45 Fichten waren nötig, geschlagen zwischen dem 17. Und 21. Dezember, offiziell taxiert als Mondholz. Gian Denoth, der Beni von Crusch und Albin Riatsch zogen die Stämme mit ihren Pferden bis auf die Strasse, wo sie Jachen Andri Schmidt abholte und zum Kieswerk Koch in Ramosch transportierte. Dort wollte sie Jon Fadri entrinden. Aber oha, Rinde, Stämme, alles war steinbeingefroren und die Tagesentrindungsleistung entsprach in etwa der Grösse eines Bierdeckels. Also kein guter Plan. Doch jammern war nicht, stattdessen brachte Jon Fadri die Stämme zurück nach Ramosch, diesmal in die Halle der Mathieu AG, liess sie drei Tage lang auftauen, um sie dann wieder nach Sur En zu fahren und zu entrinden. Jetzt funktionierte es. Bis der Schnee kam, und der kam häufig und in Mengen im letzten Winter. Immer wieder musste er die Stämme erst freischaufeln, bevor er sie bearbeiten konnte. Wenn er denn konnte, denn manchmal war es so kalt, dass der Bagger nicht ansprang, weil der Diesel nicht mehr floss. Das Gas im Gasbrenner stockte ebenfalls, doch Jon Fadri machte weiter. Setzte Stamm auf Stamm, nachdem er diese zuvor geglättet und mit einer Passnute versehen hatte. Stamm auf Stamm, zwei am Tag, immer höher, immer weiter. Denn Bic ist auch Sportler, kann sich Ziele setzen und diese erreichen, auch wenn er nicht immer gewinnt. Eher verloren hat er im Eishockey, schlussendlich fast ein Bein. Ein Puck traf ihn unglücklich am Schienbein bei einem Plauschspiel. «Ist nichts», dachte er erst. War dann aber doch was, ist heute noch was. «Seit 20 Jahren habe ich jeden Tag Schmerzen», rekapituliert er, ohne zu jammern, selbstverständlich. 10 Jahre lang sei er von Spezialist zu Spezialist gepilgert. Chinesische Medizin, Akkupunktur, Homöopathie und dergleichen mehr, er hat alles ausprobiert, nichts hat genützt. Heute ist sein Gefrierfach am Kühlschrank fast grösser als der Kühlschrank, weil er dort die Eisbeutel aufbewahrt, die die Schmerzen lindern und ihn schlafen lassen, auch nach längeren Strecken Autofahrt.

Selbstständig und Schwingtrainer

Wegen dem Bein respektive dem Puck hat er sich dann nochmals neu erfunden, als Bauer. Gelernt hat er dies jedenfalls auch noch, als es schien, dass Forstwart nicht mehr möglich sein würde – auf Anraten der IV. Dammhirsche wären sein Traum gewesen.

Stattdessen erfüllte er sich dann seinen Traum mit dem Blockhaus, denn mittlerweile ist dieses fertig, und Jon Fadri geniesst es darin zu wohnen. Zumindest für den Moment. Denn ein wenig ist er schon wieder dran, sich neu zu erfinden. Als Beziehungsmensch mit Freundin und Geschäftspartnerin. Diese soll bald vom Unterland hochziehen, in die gemeinsame Wohnung, die allerdings noch zu finden ist. Mittlerweile hat sich Jon Fadri selbständig gemacht, mit Zimmerei- und Holzarbeiten aller Art.

Nicht mehr neu zu erfinden braucht er sich als Schwinger, der er auch noch ist. Allerdings erst, seit er etwa 20 ist. Sein Bruder nahm ihn mit ins Training nach Klosters, später reiste Carpanetti zweimal pro Woche nach Untervaz und Fideris. Und er schwang nicht schlecht, «immer in der Nähe der Kränze», sagt er. Allerdings habe ihm aufgrund des späten Einstiegs etwas die Technik gefehlt, was er versuchte mit Kraft wettzumachen, weshalb es jeweils knapp nicht reichte.

Gerade am neu erfinden ist er dafür die Schwingkultur im Unterengadin. Dafür zieht Jon Fadri ein Schwingtraining auf. Für Aktive und Junioren. Albin Riatsch habe ihn angefragt, ob er ihn trainieren würde. Wenn er noch einen Kollegen mitbrächte, antwortete Carpanetti. Was Riatsch Albin tat. Jetzt trainieren sechs bis sieben Aktive und vier bis fünf Junioren, weitere Mitschwinger sind immer willkommen unter der Ägide von Carpanetti. Bis jetzt noch draussen, doch im Winter hoffentlich in einer Halle, wenn sie denn etwas finden oder jemand etwas wüsste.

Denn ganz alles kann auch Jon Fadri Carpanetti nicht erfinden.

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