Tourismus tut den Gästen gut und der Region auch.
Tourismus tut den Gästen gut und der Region auch. © Johannes Friedheim

Tourismus und Wertschöpfung

Jürg Wirth Man kann es beklagen oder bejubeln, Tatsache ist jedenfalls, dass der Tourismus in unserer Region für mehr als die Hälfte der gesamten Wertschöpfung verantwortlich ist. Doch wissen Sie auch, welche Branchen wie viel dazu beitragen? Dann lesen Sie unbedingt weiter.

Wir machen jetzt mal ein Quiz, anstatt also immer nur zu lesen, dürfen Sie diesmal auch mitraten und -rätseln. Selbstverständlich geht es bei diesem Test um den Tourismus, ist ja schliesslich das Kernthema dieser Ausgabe. Der Ablauf ist einfach, ich nenne eine Branche, und Sie überlegen sich, ob diese mit dem Tourismus zu tun hat und als Zusatzaufgabe noch, welche Wertschöpfung die entsprechende Branche aus dem Tourismus erzielt. Als Schiedsrichterin fungiert die Studie «Wertschöpfung des Tourismus in den Regionen Graubündens – Stand und Entwicklung». Verfasst hat die Studie die HTW Chur, in Auftrag gegeben hat sie das Kantonale Amt für Wirtschaft und Tourismus gemeinsam mit dem Amt für Volkswirtschaft und Soziales in Graubünden. Allerdings war das bereits 2008, und selbstverständlich für den ganzen Kanton. Jedoch versichert Patrick Casanova, dass die Studie auch heute noch wichtige Anhaltspunkte gebe und die Verhältnisse sich seither nicht grundlegend geändert haben.

Gastgewerbe und Beherbergungsstätten erzielen den höchsten Umsatz aus dem Tourismus.
Gastgewerbe und Beherbergungsstätten erzielen den höchsten Umsatz aus dem Tourismus. © Andrea Badrutt, Chur

Die Spitzenreiter

Doch genug der Einführungen, kommen wir zur ersten Branche: Beherbergungsbetriebe. Genau, hohe Abhängigkeit vom Tourismus. Die Studie ist zum Schluss gekommen, dass diese Branche am stärksten vom Tourismus abhängig ist. Lediglich knapp neun Prozent des Umsatzes kämen durch Einheimische, beispielsweise durch Veranstaltungen von Organisationen oder Vereinen, zu Stande. Heisst also über 90 Prozent des Umsatzes stammen direkt aus dem Tourismus, respektive von den übernachtenden Gästen.

Zweiter Begriff: Bergbahnen. Wenig überraschend ist auch bei den Bergbahnen die Abhängigkeit vom Tourismus hoch. Rund 85 Prozent des Umsatzes erzielen die Touristen. Die Einheimischen tragen im Schnitt rund 15 Prozent zum Umsatz bei. Das Trio der Spitzenreiter komplettiert die Branche Reiseveranstalter und Tourismusvereine. Diese beiden profitieren mit einem Wert von über 70 Prozent des Umsatzes ebenfalls stark vom Tourismus. Ausschlaggebend für diesen Wert sind vor allem die Tourismusvereine, die in der Regel zu 100 Prozent vom Tourismus abhängig sind.

Dass die genannten Branchen derart stark vom Tourismus abhängig sind, ist nachvollziehbar, schliesslich gehören sie alle zu den touristischen Leistungsträgern. Allerdings hat es dort auch solche, die auf weniger Umsatz aus dem Tourismus kommen.

Wie hoch würden Sie den Umsatzanteil am Tourismus von den Gaststättenbetrieben schätzen?

Richtig, es sind 53 Prozent. Heisst also auch, die Einheimischen frequentieren die Restaurants und sorgen für Umsatz. Und wie lautet Ihr Tipp im Gebiet Unterhaltung, Kultur und Sport? Dies auch vor dem Hintergrund, dass sich Gäste gerade in unserer Region stark für Kultur interessieren. Auf etwas unter 50 Prozent beziffert die Studie den Tourismus-Umsatzanteil hier.

Alle Branchen der touristischen Leistungsträger, zu denen auch noch Personenbeförderung im Nah- und Fernverkehr sowie sonstige Personenbeförderung und Tätigkeiten für den Verkehr gehören, erwirtschaften eine touristische Bruttowertschöpfung von 1'016 Millionen Franken, was 71 Prozent der gesamten Wertschöpfung dieser Branchen im Kanton entspricht. In Zahlen sind dies 550 Millionen Franken, welche das Beherbergungsgewerbe aus dem Tourismus erzielt, und 148 Millionen für das Gaststättengewerbe.

Bergbahnen erzielen rund 85 Prozent ihres Umsatzes aus dem Tourismus.
Bergbahnen erzielen rund 85 Prozent ihres Umsatzes aus dem Tourismus. © David Hablützl

Die breite Masse

Doch es ging ja ums Raten und Tippen. Kommen wir zum Baugewerbe, auf welchen Umsatzanteil aus dem Tourismus kommen Sie dort? Habe ich 30 Prozent gehört? Das wäre jedenfalls die richtige Antwort. Sogar auf etwas über 40 Prozent kommen Detailhandel und Reparatur, während der Tourismus bei der Land- und Forstwirtschaft mit knapp 13 Prozent am gesamten Umsatz zu Buche schlägt. Tiefer liegt der Anteil nur noch im Verlags- und Druckgewerbe sowie bei Tonträgern, nämlich? Genau, 10 Prozent.

Generell sind die Tourismusumsatzanteile tiefer als in der ersten Gruppe, weshalb man hierbei bloss noch von tourismusverwandten Branchen spricht. Allerdings umfasst diese Gruppe praktisch alle übrigen Branchen, so beispielsweise auch Erwachsenenbildung, Nahrungs- und Futtermittel, Getränke oder Banken.

Interessant ist hier, dass das Baugewerbe rein prozentual auf keinen übertrieben grossen Anteil kommt, in Zahlen sieht das dann aber schon ganz anders aus. Mit 429 Millionen Franken trägt die Baubranche am meisten zur touristischen Wertschöpfung bei. Von den Banken kommen noch 149 Millionen Franken, Vermietung von Immobilien und Erwachsenenbildung sind dagegen vernachlässigbar.

Betrachtet man die gesamte touristische Wertschöpfung des Kantons, so sind auch hier die drei üblichen Verdächtigen die wichtigsten Umsatzlieferanten. Sie hätten sicher auch auf die Beherbergungsbetriebe, das Baugewerbe und das Immobilienwesen getippt und geschätzt, dass die gemeinsam bereits für knapp 42 Prozent der touristischen Wertschöpfung verantwortlich sind.

Die Baubranche trägt am meisten zur touristischen Wertschöpfung bei.
Die Baubranche trägt am meisten zur touristischen Wertschöpfung bei. © brunies-bau.ch

Und der Effekt im Kleinen

Und was im Grossen funktioniert respektive gilt, das sieht im Kleinen nicht viel anders aus, zum Beispiel im Unterengadin. Die gesamte Wertschöpfung beträgt 435 Millionen Franken, allerdings ohne das Val Müstair, dieses wurde damals zu Berechnungszwecken mit Poschiavo, dem Bergell und dem Misox dem Aggregat "Südtäler" zugeordnet. Die touristische Wertschöpfung beziffert sich auf 255 Millionen Franken, was heisst, dass etwa 59 Prozent der Wertschöpfung über den Tourismus erarbeitet werden. Zu den wichtigsten Akteuren gehören auch hier Beherbergungsbetriebe, Bergbahnen, Detailhandel, Baugewerbe und Immobilienwesen, welche fast zwei Drittel der touristischen Wertschöpfung im Unterengadin erwirtschaften.

Basierend auf der hohen Wertschöpfung des Tourismus findet sich das Unterengadin in einer Gruppe mit Davos, dem Schanfigg, Mittelbünden und dem Oberengadin wieder. Allen Mitgliedern dieser Gruppe gemein ist, dass der Tourismus mehr als 50 Prozent zur Wertschöpfung beiträgt. Am anderen Ende der Skala besteht die Gruppe aus dem Bündner Rheintal, Viamala und den Südtälern. Dort beläuft sich der Tourismusanteil nur auf 10 bis 20 Prozent. Das Bündner Rheintal lebt von der zentralen Lage und der Industrie, Viamala oder die Südtäler profitierten als Zulieferer und Dienstleister für die touristischen Gebiete, sagt die Studie.

Und Sie sagen, Sie kennen eine Branche, die komplett unabhängig vom Tourismus ist? Da bin ich aber gespannt …

Die komplette Studie gibt’s unter: Studie 2008

Die Landwirtschaft prägt die Landschaft und ist so wichtig für den Tourismus
Die Landwirtschaft prägt die Landschaft und ist so wichtig für den Tourismus © Dominik Täuber

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