Schweizermeisterschaften im Schach in Samnaun

Jürg Wirth Andri Arquint aus Samnaun ist im Hauptberuf Revierförster in Samnaun und Betriebsleiter des umfassenden Forst- und Werkdienstes der Gemeinde. Daneben aber ist er leidenschaftlicher Schachspieler und Mitorganisator der Schweizermeisterschaften im Schach, die vom 4. bis zum 10. Juli in Samnaun stattfinden.

Was ist die Faszination des Schachsports?

Es ist die Faszination des geistigen Kräftemessens. Schach ist Sport für das Gehirn. Es ist eine Spannung im Spiel, die sich ein Nicht-Schachspieler fast nicht vorstellen kann. Es ist eine Kombination aus strategischem und taktischem Denken. Geist gegen Geist, Strategie gegen Strategie, Angriff gegen Verteidigung. Es ist eine faszinierende Kombination aus Psychologie, Strategie, Taktik, Dynamik und auch Kunst. Es ist der Versuch einer harmonischen Aufstellung der Schachfiguren, die sich optimal ergänzen und in einem geordneten System bewegen. Schach bringt Menschen zusammen. Vom 8 Jahre jungen Schulmädchen bis zum 90 Jahre alten Professor können sich alle am Schachbrett begegnen und schöne Stunden miteinander erleben. Schach fasziniert schon seit über 1500 Jahren die Menschen aus unterschiedlichen Kulturen.

Wie wird man besser beim Schach und woran bemerkt man dies?

Es gilt, viele Partien konzentriert zu spielen, Partien nachträglich gewissenhaft zu analysieren und zu versuchen, aus den festgestellten Fehlern zu lernen. Dabei können Computeranalysen gut helfen. Für die Verbesserung seiner taktischen Fähigkeiten kann versucht werden, möglichst viele Schachrätsel (Schachaufgaben oder Schachprobleme) zu lösen. Ein erfolgsversprechender Ratschlag ist auch, Endspiele (wenn viele Figuren geschlagen und nur noch wenige auf dem Brett sind) gut zu lernen. Es gilt, vor jedem Zug auf die Möglichkeiten (Drohungen) des Gegenspielers zu achten und über jeden Zug zweimal nachzudenken, bevor man ihn ausführt. Der Beitritt in einen Schachclub und die Teilnahme an Wettkämpfen fördern die Motivation und Spielstärke. Das Lesen und Studieren von Schachbüchern sowie das konzentrierte Nachspielen von kommentierten Partien starker Schachspieler ist meines Erachtens noch hilfreicher, als es dies das Training mit elektronischen Hilfsmitteln ist.

Fortschritte in der eigenen Spielstärke beim Schachsport werden vor allem durch erfolgreiche Partien offensichtlich. Man bemerkt es aber auch z.B. durch das raschere Lösen von taktischen Schachaufgaben, dass man besser geworden ist.

Trainieren Sie Schach spezifisch oder spielen Sie einfach?

In meiner Jugendzeit habe ich während vieler Stunden systematisch Eröffnungen, Mittelspiele und Endspiele vom Schachsport geübt. Damals habe ich auch in kurzer Zeit grosse Fortschritte in der Spielstärke erzielt. Seit ca. meinem zwanzigsten Lebensjahr an trainiere ich hingegen nicht mehr für den Schachsport. Durch vieles Spielen mit Teilnahmen an zahlreichen Einzelturnieren und Mannschaftswettkämpfen ist es mir lange Zeit gelungen, die Spielstärke einigermassen zu erhalten. In den letzten Jahren hat sich mein Schachspiel aber verschlechtert.

Mit wem spielen Sie vor allem, gibt es da Leute in Samnaun oder sonst im Engadin?

Es gibt den Schachclub Engadin mit Sitz im Oberengadin. Er besteht aus lediglich ca. 15 Mitgliedern. Es nehmen nur ganz wenige Schachfreunde am wöchentlichen Clubabend teil. Für mich ist dazu der Weg von Samnaun bis ins Oberengadin zu weit. Ich spiele fast ausschliesslich an Turnieren und an Mannschaftsmeisterschaften mit der Schachmannschaft Engadin und mit einer Mannschaft vom Schachclub Chur. Da gibt es immer wieder andere Gegenspieler. Manchmal spiele ich Schnellschachpartien mit meinem 5 Jahre jüngeren Bruder Arno. Er ist der bessere Schnellschachspieler von uns beiden und gewinnt gegen mich die meisten Partien.

Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus, gibt es noch Junge, die Schach spielen?

In der Schweiz wird viel zur Förderung vom Schachsport im Allgemeinen und für die Jugendschachförderung im Speziellen getan. In Graubünden ist dies lediglich beim Schachclub Chur der Fall. Dort gibt eine aktive und erfolgreiche Jugendschachförderung. Aus den anderen Regionen vom Kanton Graubünden sind mir hingegen nur ganz wenige Jugendliche bekannt, welche Schach spielen. Der Schachsport hat in den letzten Jahren allerdings einen wahren Boom erfahren. Ein Grund dafür ist die vielfach prämierte Netflix-Serie «Das Damengambit», in der die Geschichte eines hochbegabten Mädchens erzählt wird. Ein anderer Grund für den Schach-Boom waren die Folgen der Coronavirus-Schutzmassnahmen. Schachsport lässt sich so gut wie nur wenig andere Sportarten von Zuhause aus am Computer ausüben. «Online-Schach» wird seit diesen Massnahmen um ein Vielfaches mehr gespielt, als dies zuvor der Fall war. Es sind auch viele Junge Menschen, welche dies tun.

Oder wieso sollten junge Leute Schach spielen?

Schach fördert das Aufnahmevermögen, entwickelt das Gedächtnis, lehrt strategisches und kombinatorisches Denken, verbessert die Konzentrations- und Lernfähigkeit, entwickelt das logische Denken, fördert Phantasie und Kreativität, entwickelt die Fähigkeit, zielstrebig zu planen, vorauszudenken, Vorstellungskraft und räumliches Denken, schafft Selbstmotivation, entwickelt wissenschaftliche Denkweise und zeigt, dass harte Arbeit durch Erfolg belohnt wird. Schach ist auch ein Test der Geduld, Nerven und Willensstärke. Schach wird aber auch oft mit Kunst, Kreativität und Ästhetik in Zusammenhang gebracht.

Was lehrt Schach einen fürs Leben?

Schach lehrt uns, Situationen durch die Augen des anderen zu sehen, auch im Leben. Dazu lernt man, ein Ziel in Teilziele zu zerlegen und dann konsequent zu verfolgen, Ideen zu entwickeln und sie planvoll umzusetzen. Erst zu sehen und zu denken, dann zu handeln. Ganz wichtig ist auch das Rückwärtsdenken. Man sieht eine Schachmatt-Stellung und fragt sich: Was muss davor passiert sein? Das lässt sich ins Leben als Reflexion übersetzen.

Wer ist Ihr Vorbild im Schach?

Ich habe keine «Vorbilder» im Sinne des Wortes. Am meisten vom Schachspiel gelernt habe ich aus zwei Büchern von Aaron Nimzowitsch. Dieser lebte zwischen den Jahren 1886 – 1935 und entwickelte bis heute gültige Erkenntnisse zur Schachstrategie. Seine beiden Bücher «Mein System» und «Die Praxis meines Systems» gelten als sehr wertvolle Werke in der Schachliteratur. Als Mitbegründer der «hypermodernen Schachschule» hat er ein System entwickelt, dass die Freude am Schachspiel fördert. Viele seiner Begriffe wie «Bauernkette», «Fesselung», «Blockade» oder «Linienöffnung» wurden erst von späteren Meistern verstanden und genützt.

Nehmen Sie selber auch Teil an den Schweizermeisterschaften?

Ja, das habe ich mir vorgenommen, so wie ich dies auch an den SEM in Samnaun im Jahre 2004 mit gutem und im Jahr 2008 mit mässigem Erfolg getan habe.

Wie viele Teilnehmende sind dabei?

Es wird mit ca. 280 Teilnehmenden gerechnet. Es gab allerdings auch schon Schweizerische Schach-Einzelmeisterschaften mit über 400 Teilnehmenden. Es gibt die Ungewissheit, wie sich die Coronaviruskrise auf die Teilnehmerzahlen der diesjährigen SEM auswirkt.

Wie ist der Modus?

Es gibt das Nationalturnier mit 9 Spielrunden und es gibt die Hauptturniere 2 und 3 sowie ein Seniorenturnier mit je 7 Spielrunden (swisschess.ch/2871).

Es wird in allen Turnieren nach dem Schweizer Paarungssystem gespielt. Dabei spielen jeweils Spielerinnen/Spieler mit gleich vielen Punkten aus den bisher gespielten Partien gegeneinander.

Muss man lizenziert sein oder stehen die Meisterschaften allen offen?

Die Teilnahme an diesen Schweizerischen Schach-Einzelmeisterschaften (SEM) steht grundsätzlich allen Mitgliedern vom Schweizerischen Schachbund (SSB) offen. Die Leiter der SEM kann aber auch Nichtmitglieder zulassen. Personen aller Länder können Mitglieder beim SSB werden. So gesehen steht die Teilnahme an den SEM allen offen.

Wie kommt Samnaun zur Ehre, die SM im Schach auszutragen?

Die Tourismus Engadin Scuol Samnaun Val Müstair AG wurde vom Schweizerischen Schachbund angefragt, ob Samnaun bereit wäre, die diesjährigen Schweizer Einzelmeisterschaften durchzuführen, wie Samnaun dies bereits in den Jahren 2004 und 2008 getan hat.

Schweizermeisterschaften im Schach, 4. bis 10. Juli 2022 in Samnaun

Die Schweizermeisterschaften werden im Schulhaus Compatsch gespielt und zwar in vier Turnieren: Hauptturniere II und III, Nationalturnier und Seniorenturnier. Spielbeginn ist jeweils um 13 Uhr, ausser in der letzten Runde, welche schon um 9 Uhr beginnt. Wer also schon immer mal einen Einblick in diese faszinierende Sportart erhaschen wollte, dem oder der sei ein Besuch wärmstens empfohlen.

Weitere Informationen unter: swisschess.ch/sem_2022

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