Drohnen ermöglichen neue Wege in der Nationalparkforschung

Christian Rossi, Samuel Wiesmann Obwohl im Schweizerischen Nationalpark (SNP) ein striktes Drohnenverbot gilt, betreibt die Nationalparkforschung eigene Drohnen. Ein scheinbarer Widerspruch, der einer Aufklärung bedarf.

Wer kennt ihn nicht, diesen Moment? Nach langem Aufstieg erreicht man endlich den Aussichtspunkt, saugt die Landschaft in sich auf, geniesst die Ruhe. Und plötzlich ist da dieses aufdringlich sirrende Geräusch: eine Drohne. Sie soll den Augenblick mit faszinierenden Bildern festhalten, zerstört aber gleichzeitig genau dieses Erlebnis.

Vor solchen Erfahrungen sollten die Gäste im SNP verschont bleiben. Hier gilt nämlich ein striktes Drohnenverbot. Dieses schützt die Wildtiere vor unvorhersehbaren und erheblichen Störungen. Trotzdem besitzt die Nationalparkverwaltung eigene Drohnen. Sie werden allerdings nicht eingesetzt, um faszinierende Bilder zu schiessen. Dies wäre wohl fatal, denn es würde mit Sicherheit die Gäste zum Nachahmen animieren. Die Nationalparkdrohnen werden ausschliesslich und ganz gezielt zu Forschungszwecken eingesetzt – denn der SNP hat nebst dem Schutz auch wichtige Aufgaben im Bereich Forschung zu erfüllen. In ausgewählten Projekten hilft der Einsatz von Drohnen sogar, die Störung im Schutzgebiet zu minimieren, wie folgende Beispiele zeigen.

Biodiversität aus der Vogelperspektive

Um auf sehr zeitaufwendige Kartierungen und störende Begehungen vor Ort teilweise verzichten zu können, schicken Forschende ein fliegendes Auge über ausgewählte Wiesen in und um den SNP. Drohnen, welche mit einer Multispektralkamera ausgerüstet sind, nehmen mehrere Farbkanäle getrennt auf. So kann das von Pflanzen zurückgeworfene Sonnenlicht gemessen werden. Das zurückgeworfene Licht verrät etwas über die chemischen und strukturellen Eigenschaften einer Pflanze. Je nach Art wird das Licht auf unterschiedlichste Weise reflektiert. Die Vielfalt der Pflanzen kann so mithilfe von Drohnenaufnahmen kartiert werden.

Drohnenaufnahme einer Wiese (links) und daraus abgeleitete Pflanzenarten (rechts).
Drohnenaufnahme einer Wiese (links) und daraus abgeleitete Pflanzenarten (rechts). © SNP

Ameisen überfliegen statt sie zu zertrampeln

Um die Rolle von Kerbameisen auf Wildweiden im SNP zu analysieren, werden alle Ameisenhaufen auf Stabelchod in regelmässigen zeitlichen Abständen aufgenommen. Beim letzten Mal, im Jahre 2007, wurden mehr als 1200 Haufen kartiert. Der Aufwand einer solchen Kartierung ist enorm. Im Rahmen einer Masterarbeit an der ETH Zürich, welche von Aline Morger durchgeführt wird, versuchen wir, die Zählung der Ameisenhaufen auf Stabelchod anhand von drohnengestützten Thermalbildern zu automatisieren. Ameisenhaufen heizen sich im Tagesverlauf an der Oberfläche stark auf und unterscheiden sich deshalb im Thermalbild deutlich von ihrer Umgebung. Dies ermöglicht eine automatisierte Erkennung der Haufen aus der Luft. Mehr als 1600 Haufen konnten dieses Jahr so gezählt werden. Der Trend bei der Anzahl Ameisenhaufen ist steigend, wie der Vergleich mit historischen Feldaufnahmen zeigt.

Thermalbild mit tatsächlichen Ameisenhaufen (weiss) und automatisch erkannten (rot).
Thermalbild mit tatsächlichen Ameisenhaufen (weiss) und automatisch erkannten (rot). © SNP

Natürliche Prozesse in 3D überwachen

Im SNP sind alle natürlichen Prozesse streng geschützt. Der Natur freien Lauf zu lassen, ist oberstes Credo. Für die wenigen Infrastrukturanlagen, die innerhalb der Nationalparkgrenze liegen, birgt dies jedoch ein gewisses Risiko. Auch hier ist der Einsatz von Drohnen in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Die Chamanna Cluozza, die einzige für das Publikum zugängliche Hütte innerhalb des Nationalparks, liegt an einem Hang, der von Murgang-Rinnen verschiedenen Alters durchzogen ist. Ein regelmässiges Monitoring der aktiven Murgang-Rinne oberhalb der Hütte hilft hier, zukünftige Ereignisse abzuschätzen. Denn aus Drohnenbildern können 3D-Modelle von Objekten und Landschaften erstellt werden. Der Vergleich solcher Modelle über die Jahre erlaubt, geringste Bewegungen in der Landschaft zu entdecken.

Punktwolke der Murgangrinne oberhalb der Chamanna Cluozza.
Punktwolke der Murgangrinne oberhalb der Chamanna Cluozza. © SNP

Fazit

Die drei Beispiele aus dem SNP zeigen, dass Drohnen das Potenzial besitzen, systematisch, effizient und günstig Daten mit hoher Auflösung zu erheben. Die Anwendungsmöglichkeiten dieser Flugobjekte nehmen ebenso rasant zu wie die technischen Fortschritte. Deshalb wird der SNP auch weiterhin sehr gezielt Drohnen einsetzen. Sie garantieren, dass Flora und Fauna sowie Gäste so wenig wie möglich gestört werden. Die Tatsache, dass der SNP die Drohneneinsätze selbst plant und mit grösster Sorgfalt auch eigenhändig durchführt, ist dabei zentral. Nur so ist es möglich, eine optimale Balance zwischen den Zielen des Naturschutzes und der Forschung zu garantieren.

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