Cristiana und Cristian Juon frönen ihren Hobbys, dem Postkarten- und Briefmarkensammeln.
Cristiana und Cristian Juon frönen ihren Hobbys, dem Postkarten- und Briefmarkensammeln. © Jürg Wirth

Wenn Postkarten und Briefmarken Geschichten erzählen

Jürg Wirth Cristiana und Cristian Juon aus Sent sind begeisterte Sammler. Sie hat sich auf Postkarten spezialisiert, er auf Briefmarken. Beide können sie mit ihrem Sammelgut Geschichten erzählen.

«Quai es bain l'hotel Victoria, e guarda là, la villa folia.» Cristiana und Cristian Juon (ja, der Name war beim ersten Treffen tatsächlich ein Thema) beugen sich tief über ein Album und kommentieren die Bilder. Das Album ist Cristianas Werk und zeigt alte Postkarten von Scuol. Solche eben aus der Zeit, als es das Hotel Victoria noch gab oder eben die Villa Folia. Das war Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts. Interessiert, als würden sie es zum ersten Mal sehen, blättern sie weiter und bestimmen zielgenau sämtliche Ausschnitte und Bauten von Alt-Scuol. Und selbstverständlich ist das nicht das einzige Album der rüstigen Senterin, sie hat noch zahlreiche weitere. Alle fein säuberlich sortiert und eingereiht, und gefüllt mit Postkarten zu einem Thema, zum Beispiel Tourismus oder zu bestimmten Gegenden. Immer wieder gehe sie an spezifische Börsen und Treffen oder schmökere in Antiquitätenläden herum, auf der Suche nach Postkarten, sagt sie. Ihr gefällt dabei vor allem auch das Archivieren der Geschichte, das Bewahren dieser.

Da hat sie mit ihrem Mann Cristian nicht nur fast den Namen gemeinsam, sondern auch die Sammel- und Hobbyhistorikerleidenschaft. Cristian, der ehemalige Metzger von Sent, sammelt Briefmarken. Abgelöste – das hat er vor allem früher gemacht – und immer mehr solche, die noch auf den Briefen oder Karten kleben.

Und wenn Harry Rowohlt etwas spöttisch «Freunde durch Briefmarkensammeln» proklamiert, so trifft das bei Cristian Juon zu. Dank seiner langjährigen Sammeltätigkeit hat er viele Freunde gefunden, mit denen er sein Hobby teilen kann, dies auch in der «gruppa da filatelists Sent». Allerdings sind die Freunde bereits etwas älter. Tatsächlich scheint das Sammeln von Briefmarken auf den ersten Blick nicht extrem sexy, und die Knallerfrage «Soll ich dir meine Platten- oder eben Briefmarkensammlung zeigen?» dürfte auch schon seit Längerem nicht mehr funktionieren.

Das Hotel Victoria in Scuol.
Das Hotel Victoria in Scuol. © zvg

Spannendes Hobby

Nichtsdestotrotz ist das Hobby spannend – und es lässt sich eine Menge dabei lernen, wie Cristian Juon eindrücklich zeigt. Begonnen hat er bereits als kleiner Junge, weil ihn diese kleinen Kleber bereits damals magisch angezogen hätten, wie er attestiert. Sämtliche Papierkörbe habe er durchsucht und die ganze Verwandtschaft darum gebeten, ihm ihre Briefmarken auszuschneiden. Zu Beginn seiner Geschäftskarriere musste das Hobby etwas hintanstehen, bis er dann merkte, wie gut er sich dabei entspannen konnte. Nach der Arbeit sei er jeweils ein, zwei Stunden bei seinen Marken gewesen, habe sortiert, eingeordnet, nachgelesen und sich dabei bestens entspannt. Beste Burnout-Prophylaxe sei dies gewesen, ist er sicher.

Und im Laufe der Jahre ist da durchaus etwas zusammengekommen, wie die Schränke voller Alben zeigen. Er entwickelte sich vom Sammler zum Philatelisten, trat verschiedenen Vereinen bei und vertiefte sich immer mehr ins Thema, erklomm Stufe um Stufe, bis er sich in der höchsten Kategorie, der Stufe I für die nationale Briefmarkenausstellung qualifizierte.

Einblicke in längst vergangene Zeiten.
Einblicke in längst vergangene Zeiten. © zvg

Marken mit Geschichten

Und während er so von seinem Werdegang erzählt, präsentiert er fast nebenbei seine Alben. Erklärt, warum die ersten Marken noch keine gezackten Ränder hatten (weil sie ausgeschnitten wurden und die Schnittlinie danach wesentlich zum Wert der Marke beitrug). Wann denn die Postzustellung überhaupt ein Reglement erhielt (1875 wurde der Weltpostverein gegründet). Dass Sent früher Sins hiess und erst durch den Zusatz GR nicht mehr mit der Gemeinde im Kanton Aargau verwechselt wurde. Was der Unterschied zwischen einem Strubel- und einem Faltbrief war, nämlich der, dass ein Faltbrief nicht im Kuvert steckte, sondern der Brief so gefaltet und geklebt wurde, dass er auch gleich das Kuvert war. Aber auch in die Postgeschichte des Engadins hat sich Juon vertieft und diese mit Erfolg an einer internationalen Ausstellung in Chur präsentiert.

Der pensionierte Metzger kann ein x-beliebiges seiner Markenalben aufschlagen und zu jeder eingeklebten Marke, zu jeder abgelegten Karte eine kleine Geschichte erzählen, ein kurzes Referat zu Herkunft und Wert halten oder einfach die Schönheit der Marken geniessen, vor allem, wenn es solche aus der Tierwelt sind. Selbstredend, dass er seine Exponate gerne noch etwas mehr in der Öffentlichkeit zeigen würde und Cristiana die ihrigen natürlich auch. Erklären können sie sie ja gemeinsam.

Auch ein Hotel Helvetia gab es mal in Schuls.
Auch ein Hotel Helvetia gab es mal in Schuls. © zvg

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