Das Center da sandà Val Müstiar in Sta. Maria.
Das Center da sandà Val Müstiar in Sta. Maria. © csvm

Pflege über die Grenzen

Jürg Wirth Seit Mai dieses Jahres können die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Taufers im Val Müstair erste medizinische Hilfe im Spital Sta. Maria erhalten. Dem an sich logischen Schritt gingen lange Vorbereitungen voraus.

Zieht man vom Unterland in die hiesige Region, kann es sein, dass einen im ersten Moment das Gefühl beschleicht, ans Ende der Welt gezogen zu sein. Dies vor allem deshalb, weil man plötzlich so nahe an der Landesgrenze lebt und die Berge eindrückliche Begrenzung derjenigen sind. Mit der Zeit aber stellt man erleichtert fest, dass die Welt jenseits der Grenzen weitergeht und das erst noch in durchaus schöner Art und Weise. Dass die Welt «ennet der Grenze» weitergeht, wussten die Münstertalerinnen und Münstertaler schon immer. So wirkt die Landesgrenze zwischen Müstair in der Schweiz und Taufers in Italien eher zufällig oder willkürlich gelegt, und das Val Müstair pflegte mit dem benachbarten Südtirol schon immer gute Beziehungen über die Grenzen hinweg. Dies durchaus im wahrsten Sinne des Wortes. Aber auch ein grosser Teil der berufstätigen Gesellschaft im Val Müstair pendelt aus Südtirol her.

Nun wird die gute Zusammenarbeit um ein erfreuliches Kapitel erweitert. Denn seit Mai können sich die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Taufers für «medizinisch-indizierte Erste-Hilfe-Leistungen» an das Center da sandà in Sta. Maria im Val Müstair wenden. Tatsächlich sind die Einwohnerinnen und Einwohner von Taufers zu Fuss von ihrer Wohngemeinde aus schneller in Sta. Maria als mit dem Auto in Schlanders, wo das nächste Spital ist. Allerdings ist das Angebot bislang auf Erste Hilfe und kurze Aufenthalte beschränkt. Wer länger als drei Tage im Spital bleiben muss, wird wieder nach Südtirol verlegt. Der Gang ins Spital über die Grenze erfolgt denn auch nicht in unmittelbaren Notfällen, wo es um Leben und Tod geht, sondern bei akuten medizinischen Problemen. Solchen, mit denen man früher zum Hausarzt gegangen wäre. Doch auch das Vinschgau leidet unter einem Hausärztemangel, weshalb sich der Gang ins Spital anbietet.

Das neu geschaffene Angebot, das gleichermassen logisch wie einleuchtend klingt, hatte einige Hürden zu überwinden und wurde auch bereits einmal für klinisch tot erklärt.

Was lange währt, wird endlich gut

Bereits im Jahre 1999, also vor 23 Jahren, bemühten sich Südtirol und das Val Müstair erstmals um eine internationale Zusammenarbeit. Allerdings kamen den gut gemeinten Bemühungen die bilateralen Verträge und die neue Spitalplanung in Graubünden erheblich in die Quere. Respektive trugen sie zum Scheitern des Projektes bei, weshalb dann 2008 nur noch der Tod der gut gemeinten Initiative festgestellt werden konnte.

Unverdrossen wurden 2017 die Bemühungen für eine Zusammenarbeit im kleineren Rahmen wieder aufgenommen, und bereits 2018 konnte der Abgeordnete von Südtirol einen Beschluss für den «Sanitätsbetrieb Südtirol» durchbringen, der diesen ermächtigte, bestimmte Leistungen in der Schweiz einzukaufen. Danach kamen die beiden Pandemiejahre, in welchen das Projekt etwas ins Stocken geriet, aber nicht abebbte. Bis schliesslich am 20. April 2022 seitens Südtirol einem Pilotprojekt zugestimmt wurde. Damit war Tür und Tor für eine länderübergreifende Zusammenarbeit geöffnet, weshalb sich die Menschen aus Taufers auch in Sta. Maria behandeln lassen dürfen.

Und wer weiss, vielleicht ist das ja nur der Anfang einer grossen, erweiterten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Auf dass Grenzen unwichtig werden und man nie mehr das Gefühl hat, an irgendein Ende zu ziehen.

Haben viel Geduld und Durchhaltewillen bewiesen. Links: Dr. Florian Zerzer, Generaldirektor der Südtiroler Sanitätsbetriebe, Mitte (Leinwand): Dr. Arno Kompatscher, rechts: Dr. Theodor von Fellenberg, Chefarzt CSVM.
Haben viel Geduld und Durchhaltewillen bewiesen. Links: Dr. Florian Zerzer, Generaldirektor der Südtiroler Sanitätsbetriebe, Mitte (Leinwand): Dr. Arno Kompatscher, rechts: Dr. Theodor von Fellenberg, Chefarzt CSVM. © Judith Fasser

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