Die Pisten präparieren - und nicht die Landschaft

Jürg Wirth Es kann immer mal wieder vorkommen, dass Pisten im Skigebiet gar nicht oder erst spät präpariert werden. Bergbahndirektor Andri Poo erklärt die Gründe.

Man stelle sich folgende Situation vor: Frisch verschneite Hänge im Skigebiet nach einem einmaligen Schneefall von über einem Meter, strahlend blauer Himmel und gleissender Sonnenschein. Beste Verhältnisse also für einen unvergesslichen Pistentag – alleine, im Skigebiet sind noch nicht alle Pisten präpariert und geöffnet. 

Nun ist genau diese Situation kurz vor den Festtagen eingetroffen und hat bei den Gästen Fragen und teilweise Unverständnis hervorgerufen. Zeit also, diesen Umstand zu erklären und mit Missverständnissen aufzuräumen. Das Wichtigste: Nein, die Mitarbeiter der Bergbahnen sind nicht zu faul, um sich auch nachts in ihre Fahrzeuge zu setzen und die Pisten herzurichten. Zudem dürften sie auch nicht Tag und Nacht hindurchfahren, erklärt Andri Poo, Direktor der Bergbahnen Scuol, schliesslich seien sie ans Arbeitszeitgesetz gebunden und müssten entsprechende Ruhezeiten einhalten. Präparieren müssen sie aber vor allem in der Nacht, weil am Morgen gewalzter Schnee zu schlechten Pisten während des ganzen Tages führe. Schliesslich, so hat Andri Poo festgestellt, seien auch die Ansprüche bei den Gästen stark gestiegen, unebene Pisten seien nicht mehr üblich, und Buckelpisten gebe es schon lange nicht mehr. 

Lieber mehrmals Schnee

Der schneereiche Auftakt war zwar für die Gäste bezaubernd, dem Aufbau einer soliden und tragfähigen Pistenunterlage jedoch abträglich. Dies gleich aus zwei Gründen, wie Andri Poo sagt: «Vor dem grossen Schnee war es eher warm, deshalb konnte der Boden nicht richtig frieren. Zudem ist es schwierig, nach einem grossen Schneefall die Pisten zu präparieren, vor allem, wenn dieser auf noch schneefreies Gelände fällt.» Wenn sie wählen könnten, hätten die Bergbahnen lieber mehrere Schneefälle, die sie quasi fortlaufend einwalzen können und vor allem erst gefrorenen Boden, damit sich der Schnee auch mit diesem verbindet und die Raupen der Pistenmaschinen keine Erde in den Schnee bringen. Wegen der Wärme zu Beginn der Saison stiess auch die technische Schneeproduktion an ihre Grenzen und war nur in begrenztem Masse möglich. Ist der technische Schnee produziert, verhält es sich mit ihm etwa wie mit einem Brotteig, beide brauchen Ruhe. Der Schnee am besten mehrere Tage, damit das Wasser abfliessen kann. Verarbeiten die Präparatoren den Schnee zu früh, bleibt das Wasser drin und macht die Piste im besten Falle weltcup-tauglich, weil steinhart gefroren. Bei gewöhnlichen Pistensportlerinnen und -sportlern dürfte die Freude darüber eher verhalten sein. Hat der Schnee genügend geruht, müssen sich die Bully-Fahrer Zeit fürs «Verstossen» nehmen, wie Andri Poo dies formuliert. Gemeint ist damit das Verschieben der Schneehaufen und das kontinuierliche Einarbeiten derselben zu einer während der ganzen Saison tragfähigen Piste. 

Die bis zu 13 Tonnen schweren Pistenfahrzeuge brauchen eine dicke und tragfähige Unterlage.
Die bis zu 13 Tonnen schweren Pistenfahrzeuge brauchen eine dicke und tragfähige Unterlage. © zvg Bergbahnen

Pisten fräsen - nicht die Landschaft

Würden die Bergbahnen trotz ungefrorenem Boden und zu dünner Schneedecke versuchen, die Pisten herzurichten, hätte dies denselben Effekt wie Permanent-Make-up. Die rund 13 Tonnen schweren Maschinen würden den Boden aufreissen, Grasnarben oder unter dem Schnee liegende Moorgebiete zerstören, sich tief in die Erde einfräsen und bleibende Erinnerungen hinterlassen, an denen niemand Freude hätte. Schliesslich ist die Motta im Sommer nicht einfach nur Stein- und Gebirgswüste, sondern Alpungs- und Wandergebiet. Und da sollen die Tage genauso unvergesslich sein wie im Winter, wegen der gut und rücksichtsvoll präparierten Pisten.

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