Bianca Gisler aus Scuol ist professionelle Freestyle-Snowboarderin.
Bianca Gisler aus Scuol ist professionelle Freestyle-Snowboarderin. © zvg

Springen, Zeichnen und Rechnen

Jürg Wirth Bianca Gisler aus Scuol ist 19 Jahre alt und Snowboardprofi. Sie liebt es, neue Sprünge auszuprobieren und ihr Lieblingsfach in der Schule war Mathematik.

Draussen scheint die Sonne, und auf der Motta liegt frischer Pulverschnee, doch Bianca Gisler sitzt im Café Benderer in Scuol. Eher ungewöhnlich für eine professionelle Snowboarderin. Doch zum einen hat sie ein Gespräch fürs ALLEGRA abgemacht, und zum anderen ist sie verletzt. «Fersenprellung» sagt sie, das passiere, wenn man schlecht lande. Schon mal habe sie eine gehabt. Behandeln lasse sich dies mit Ultraschall, vor allem aber mit viel Zeit. Und landen ist in ihrer Sportart in der Tat sehr wichtig, vor allem das gute Landen, denn «runter kommen sie immer», wie geflügelte Zungen sagen. Bianca Gisler startet als Freestyle-Snowboarderin in den Disziplinen Slopestyle und Big Air. Big Air meint die Riesenschanze, bei welcher dem Laien schon beim blossen Anblick flau im Magen wird. Big Air ist aber auch ein gleichnamiges Festival, das seit zwei Jahren in Chur ausgetragen wird. Selbstredend, dass Bianca dort dabei war. Im ersten Jahr fand sie die Schanze respektive eben den Big Air nicht so gut gebaut, weil vorgebaut. Letztes Jahr war sie sehr zufrieden mit dem Big Air und mit sich auch ziemlich, schliesslich resultierte ein 6. Platz.

Slopestyle ist ein ganzer Parcours mit Trails, sprich Hindernissen oder Geräten wie Schienen oder Geländer, aber auch Sprüngen. Dort gilt es, einen Lauf zu absolvieren, möglichst aus einem Guss, mit Sprüngen und Attraktionen. Ob Big Air oder Slopestyle, Bianca Gisler erreicht Sprunghöhen von fünf bis zu sieben Metern. Einleuchtend also, dass eine schlechte Landung eine Fersenprellung nach sich ziehen kann.

Die Anfänge auf der Motta

Ihre Laufbahn begonnen hat die junge Scuolerin wie so viele andere auch. Sie ging in die Snowboard-JO und trat dem Snowboard-Club «Umblanas» bei. Samstag für Samstag verbrachte sie im Skigebiet Motta Naluns ob Scuol. Kurz wechselte sie mal ins Fach der alpinen Snowboarder*innen, allerdings wurde ihr das bald zu monoton und sie kehrte wieder ins Freestyle-Fach zurück.

Nach dem Ende der Sekundarschule mit Lieblingsfach Mathematik, gut, Zeichnen hatte sie auch sehr gerne, schrieb sie sich am Sportgymnasium in Ftan ein und die Sache mit dem Sport wurde ernst und ernster. Respektive nicht ernst, aber zielstrebiger verfolgt. Denn dass sie es relativ gut kann, hat sie schon früher gemerkt, und die Umstehenden auch. «Machen wir weiter», hat sie sich daraufhin gedacht und das auch getan. Irgendwann vor vier oder fünf Jahren war sie dann so weit und sagte ihrem Vater: «Ich will an die Olympiade.» Tatsächlich schaffte sie es 2022 nach Peking, wo sie 20. im Slopestyle und 13. im Big Air wurde. An der Europäischen Jugendolympiade 2019 in Sarajevo holte sie bereits die Goldmedaille, und an der Jugendolympiade 2020 in Lausanne wurde sie Dritte.

Der Big Air ist eine Riesenschanze.
Der Big Air ist eine Riesenschanze. © zvg

Anspruchsvolle Sportart

Und jetzt zu sagen, dass Snowboard eher eine Randsportart sei und es deswegen einfacher wäre, an grosse Wettkämpfe zu kommen, ist schlicht falsch. Klar gäbe es weniger Snowboarder*innen als Fussballspielende, dafür sei Freestyle-Snowboarding eine noch anspruchsvollere Sportart, weil es mehr Überwindung braucht. Dadurch sei zwar die Konkurrenz zahlenmässig kleiner, das Niveau derjenigen, die mitmachten, aber höher.

Die Sprünge mag sie, weil es sich extrem befreiend anfühle. Zudem liebt sie es, Sprünge auszuprobieren und weiterzuentwickeln, auch wenn sie bis jetzt noch keinem einen eigenen Namen geben durfte.

Ausprobieren tut sie nicht gleich auf Schnee, sondern erst im Sommer auf dem «Bag», einem grossen Luftkissen. Erst danach, wenn der Sprung richtig sitzt, geht es auf den Schnee. Dort spielt der Respekt vor dem Sprung durchaus eine Rolle. Angst dürfe man aber nie haben, sagt die junge Pro. Angst habe auch ihre Mutter eigentlich nie, denn sie vertraue ihr, also die Mutter der Tochter.

Das nächste Saisonziel von Bianca Gisler sind die Weltmeisterschaften in Bakuriani in Georgien, welche vom 19. Februar bis zum 5. März stattfinden, und sie ist durchaus zuversichtlich, dass sie dieses Ziel erreicht.

Nicht nur dafür trainiert sie auch im Gym und im Sommer auf dem Skateboard, auf dem Trampolin oder auch Ausdauer, denn von nichts kommt nichts. Hat sie trotzdem mal freie Zeit, zeichnet sie gerne oder geht schwimmen.

Bleibt nur zu hoffen und ihr zu wünschen, dass sie ab dem 19. Februar keine Zeit mehr zum Zeichnen hat, sondern ihre Tricks auf den Kickern, Slopes und dem Big Air in Bakuriani zeigen darf.

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