In Sent ist die Kultur fixer Bestandteil des Dorflebens.
In Sent ist die Kultur fixer Bestandteil des Dorflebens. © Nicolas Deichmann

Kulturhauptort Sent

Jürg Wirth Sent verzeichnet rund 900 Einwohner*innen und ein beeindruckendes Kulturleben. Jährlich finden 34 Konzerte in der Kirche, ca. zwölf Kleinkunst-Veranstaltungen, rund fünf Ausstellungen in der Grotta da cultura und vieles mehr statt. Verantwortlich dafür zeichnen engagierte Menschen.

«Cumün da cultura» steht auf der Eingangstafel zum Dorf Sent, das auf einer Sonnenterrasse oberhalb von Scuol liegt. Es gibt Werbetafeln für Orte, die einfach nur Werbung sind, hier aber trifft der Slogan voll und ganz zu. Denn in Sent ist Kultur nicht nur ein Schlagwort, sondern fester Bestandteil des Dorflebens. Das sind jährlich beispielsweise 34 Konzerte in der Kirche, Theater, Konzerte, Lesungen und fünf Ausstellungen in der «Grotta da cultura», genauso aber auch die Woche «a Sent be Rumantsch», die Schreibwerkstatt von Angelika Overath und Manfred Koch, das Festival «sal e paiver» von Andri und Gianna Bettina Gritti, Veranstaltungen der Schule, der Skulpturenpark von Not Vital, die Giacometti-Sammlung in der Pensiun Aldier, das Ortsmuseum, dazu Theaterabende des Theatervereins oder Konzerte der örtlichen Musikgesellschaft. Und Kultur ist in Sent auch keine Modeerscheinung, nein, Kultur hat in Sent Tradition.

Über 30 Konzerte finden jährlich in der Kirche Sent statt.
Über 30 Konzerte finden jährlich in der Kirche Sent statt. © zvg

Am Anfang stand der Flügel

Dabei spielte Leta Mosca eine wichtige Rolle. Weiter auch die Pianisten Risch Biert und Warren Thew. Letzterer sorgte 1974 dafür, dass ins neue Schulhaus der Gemeinde Sent nicht einfach nur ein Klavier kam, sondern ein Konzertflügel. Mit Benefizkonzerten half er auch gerade bei der Finanzierung mit. 1991 dann sollte der aus Sent stammende Pianist Risch Biert ein Konzert in der Kirche geben. Leta Mosca anerbot sich, den Schulhausflügel dorthin transportieren zu lassen. Der Rest ist Geschichte, respektive war der Beginn der Konzerte in der Kirche zu Sent, welche Leta Mosca, ihres Zeichens auch Organistin, anfänglich mit Risch Biert zusammen organisierte. Gut 40 Anlässe im Jahr waren dies und bis Ende 2019 zeichnete Leta Mosca für die Organisation zuständig. Ab dann übernahm Regula Ursprung, die vor allem näher mit Leta in Kontakt kam, weil sie bei ihrem ersten Konzertbesuch das Portemonnaie zu Hause vergessen hatte und deshalb das Geld anderntags bei Leta Mosca in der Bibliothek vorbeibrachte. Letztes Jahr kam dann Regula Ursprung an der elektronischen Infotafel, die gerade nicht funktionierte, mit Koni Zollinger ins Gespräch. Seither unterstützt er sie bei der Organisation und den Texten. Zum Team gehören auch noch Ursina Ganzoni, Corina Caviezel, Agnes Strub und Nesa Valentin.

Ein mit 14 Personen etwas grösseres Team betreibt die Grotta da cultura, welche das kulturelle Leben in Sent seit 2006 bereichert. Begonnen im Keller des damaligen Hotels Rezia, mit einer Pause zwischen 2012 und 2014, seit da aber wieder sehr aktiv in den Räumlichkeiten des ehemaligen Tourismusbüros in Schigliana in Sent und im Piertan der Familie Widmer Zulauf. Zum Programm gehören 10 bis 15 Veranstaltungen sowie vier bis fünf Ausstellungen jährlich. Bei den Ausstellungen würden sie darauf achten, dass die Künstler*innen oder deren Kunst einen Bezug zu Sent oder wenigstens zum Engadin hätten, sagen Anna Briner und Gianna Bettina Gritti, zwei der 14 treibenden Kräfte. So ist Martha Corradini, deren Werke aktuell noch bis zum 27. September zu sehen sind, eine Randulina. Sie stammt also aus einer Familie, deren Heimatort Sent ist, wie auch ein eindrücklicher Grabstein auf dem Friedhof beweist. Zu sehen sind die Werke immer am Dienstag und Samstag zwischen 17.00 und 19.00 Uhr. Dann ist auch die Bar geöffnet und wer will, kann auch nur in die Bar.

Gemeinsam für die Kultur

Ob Konzerte in der Kirche oder Veranstaltungen und Ausstellungen in der Grotta, alle stehen und fallen mit dem Publikum, respektive mit dessen Anzahl. In den besten Zeiten hätten sich regelmässig 40 bis über 100 Leute in der Kirche eingefunden, sagt Regula Ursprung. Nach einer Baisse liege der Durchschnitt nun wieder bei rund 60 mit Luft nach oben. Auch die Grotta spürte den Corona-Knick, arbeitet sich aber jetzt wieder hoch. Dazu hätten sie auch selber etwas beigetragen, sagen Briner und Ursprung nicht ohne Stolz. Schliesslich hätten sie extra den «Kulturbus» erfunden. Dies ist ein Taxi-Service durch die Firma Guler, welcher die Leute, die wollen, nach den Veranstaltungen nach Hause bringt. Für die Konzerte gibt es eine Kundenkarte, mit der man vier Konzerte bezahlt und fünf erleben darf. Die Flyer sind sorgfältig gestaltet, alles dank der Unterstützung durch das Bundesamt für Kultur und die Kulturförderung Graubünden.

Und damit sich die verschiedenen Kulturanbieter nicht gegenseitig konkurrieren, treiben Ursprung und Briner die Idee der Kulturplattform weiter voran. Dass die zwei und ihre Organisationen in Sent gemeinsam arbeiten, sich absprechen, koordinieren und unterstützen, versteht sich von selbst. Schliesslich soll Sent den Namen «Cumün da cultura» noch lange tragen und dies zu Recht.

Weitere Infos:
grottadacultura.ch
sent-concerts.ch

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