Marianna Sempert ist Spezialistin für Texte, Übersetzungen und auch für Orientierungslauf.
Marianna Sempert ist Spezialistin für Texte, Übersetzungen und auch für Orientierungslauf. © Hanspeter Achtnich

Eine Brise Exotik aus dem Unterland

Jürg Wirth Sie läuft OL, spielt leidenschaftlich Geige und Bratsche, kam aus dem Unterland und verantwortet die Kommunikation der Gemeinde Scuol – auch in Romanisch. Marianna Sempert ist eine Frau mit vielen Facetten.

«Ich bin gerne etwas exotisch», sagt Marianna Sempert über sich. Deshalb hat sie bereits mit knapp 20 begonnen, Romanisch zu lernen. Damals wohnte sie in Ennetbaden im Kanton Aargau und besuchte das Lehrerseminar in Wettingen – beides keine Hotspots der romanischen Sprache. Doch nach Italienisch und Französisch fehlte ihr noch die vierte Landessprache. Erst lauschte sie den «novitads» im Radio und fragte dann den Schriftsteller Andri Peer, welches Idiom am besten zu lernen sei. «Vallader» antwortete dieser wenig überraschend, worauf sich Marianna Sempert mit dem Lehrmittel «Vierv Ladin» von Jachen Curdin Arquint in die Sprache zu vertiefen begann.

Diplomierte Geigerin

Der erste Ausflug ins Vallader dauerte nicht sehr lange, weil ihr bald die Zeit dafür fehlte. Denn nach dem Abschluss des Lehrerseminars, also der Ausbildung zur Lehrerin, begann sie, Musik zu studieren am Konservatorium – «Konsi», wie das früher liebevoll hiess. Zwar hätte ihr der Beruf als Primarlehrerin gefallen, wie sie auch im Praktikum feststellte, doch 1978, als sie abschloss, gab es zu viele davon. Weil Hadern oder Zögern nicht ihre Dinge sind, orientierte sie sich weiter. Dabei war Musik eine durchaus logische Folge, denn bereits zu Hause hätten sie immer musiziert und eine Art Familienensemble gehabt, mit Vater, Bruder und Schwester. Der Bruder ist heute Ingenieur und begeisterter Amateurmusiker. Die Schwester war einst Lehrerin und unterrichtete unter anderem auch den ALLEGRA-Redakteur. So war Marianna Sempert beim Eintritt ins «Konsi» das Zusammenspiel gewohnt. Dabei käme es darauf an, «sich gleichzeitig behaupten und anpassen zu können». Technisch jedoch seien die anderen stärker gewesen. Wobei sie hier wahrscheinlich etwas untertreibt, denn Übertreiben ist nicht ihr Stil. Immerhin genoss sie am «Semi», also dem Lehrerseminar, Unterricht beim bekannten Musiker André Jacot und gehörte laut eigenen Aussagen «zu den Besten» damals, sei aber im «Konsi» nur noch eine unter vielen gewesen.

Wie auch immer, sie schloss das Studium ab und begann in Klingnau und Zurzach von 1982 bis 1988 zu unterrichten. Doch so ganz warm wurde sie mit diesem Beruf nie, auch weil sie an sich selbst hohe Anforderungen stellte und sich deshalb für mangelnde Lernfortschritte der Schüler*innen verantwortlich machte.

Geigenlehrerin im Unterengadin

Einen Versuch wollte sie sich noch gewähren, auch weil die neue Stelle in den Bergen, ihrem Sehnsuchtsort, lag. An der Musikschule Unterengadin wurde eine Geigenlehrerin gesucht. Marianna Sempert meldete sich und bekam den Zuschlag für die 50-Prozent-Stelle. Die andere Hälfte arbeitete sie als Sekretärin im Ingenieurbüro Mathis in Scuol. Bevor sie ins Engadin zog, nahm sie ihr Vallader-Buch wieder hervor und kniete sich mit Fleiss und Ausdauer in die neue Sprache. 1989 im Tal angekommen, besuchte sie einen Intensivkurs und sprach ab dann nur noch Romanisch mit den Leuten vor Ort. Selbstverständlich nicht, ohne sich nebenher immer noch weiterzubilden in dieser Sprache. Doch nicht nur die Sprache erlernte sie fundiert, sondern auch ihre neue Tätigkeit im Büro. Erst an einem Abendkurs, der zum Abschluss als Büroangestellte führte und schlussendlich noch mit der KV-Ausbildung. Die Anstellung als Musiklehrerin gab sie gegen Ende der 90er-Jahre zugunsten der Sekretariatsarbeit auf, auch weil diese weniger auslaugend war, wie Marianna Sempert erneut merken musste.

Kommunikation für die Gemeinde

Im Jahre 2000 war dann die Stelle als Sekretärin auf der Gemeindeverwaltung ausgeschrieben. Sie meldete sich, erhielt den Zuschlag und war zunächst Allrounderin. Schreiben und Übersetzen, also Deutsch-Romanisch und Romanisch-Deutsch, waren aber bereits damals wichtige Tätigkeiten in ihrer Funktion. Doch erst nach der Fusion durfte sie sich nur noch um Übersetzungen und die Kommunikation der Gemeinde kümmern. Dies tut sie bis heute mit Verve und hohem Einsatz, verwehrt sich aber dagegen, grossen Einfluss oder gar Macht in und über die Gemeinde zu haben. Schliesslich würden die Texte immer noch gegengelesen.

Sie liebe Übersetzungen, und liebe es auch, Texte so zu verfassen, dass sie verstanden und gerne gelesen würden. Also nicht zu kompliziert formuliert, sondern so einfach wie möglich.

Musik macht sie zwischendurch immer noch und bewegt sich viel, mit Vorliebe im Wald. Dort sucht sie Posten, die auf einer Karte eingetragen sind, denn sie macht auch noch Orientierungslauf. Dazu gekommen ist sie, weil sie gerne wandert, aber fürs Bergsteigen zu wenig schwindelfrei ist. Und nur zu wandern ist ja nicht wirklich exotisch.

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