Auf acht Beinen durch den Nationalpark

Malin Röllin und Christian Kropf Sie kennen sie auch, die langbeinigen Spinnentiere in den Kellerecken. Wussten Sie, dass diese Krabbelviecher gar keine Spinnen sind, sondern zur Ordnung der Weberknechte gehören? Weberknechte sind eine untererforschte Tiergruppe in der Schweiz. Eine Masterarbeit im Schweizerischen Nationalpark (SNP) möchte diesen Tierchen nun auf die Spur kommen.

Weberknechte (Opiliones) werden häufig der falschen Tiergruppe zugewiesen. Sie gehören wie die Webspinnen (Araneae) zu den Spinnentieren (Arachnida). Trotz der oberflächlichen Ähnlichkeit mit den Webspinnen, sind die Tiere jedoch näher mit den Milben (Acari) verwandt.

Falls Sie nun einen Weberknecht von einer Webspinne unterscheiden möchten, ist dies dank der typischen Form des Körpers sehr einfach. Eine Webspinne weist eine Wespentaille auf, der Weberknecht nicht. Ausserdem haben die Weberknechte immer nur zwei Augen und bilden keine Netze, denn ihnen fehlen die Spinnwarzen dazu. Ein weiteres Merkmal vieler – aber nicht aller Weberknechte – sind die ausserordentlich langen Beine. Sie können diese gekonnt um Grashalme schlingen oder mit ihnen an vertikalen Felswänden hochklettern. Um angreifende Tiere zu verwirren, können Weberknechte in Notsituationen sogar eines oder zwei Beine abwerfen, ohne Schaden zu erleiden.

Das Bild zeigt einen hochalpinen Weberknecht (Mitopus glacials). Dies ist eine Spezies, die nur über der Baumgrenze in Blockhalden oder an vertikalen Felswänden vorkommt. Dieses Individuum haben wir auf dem Piz Quattervals auf 2400 m ü. M. von Hand gefangen. Dabei hat das Tier zwei Beine abgeworfen, was auf dem Bild gut ersichtlich ist.
Das Bild zeigt einen hochalpinen Weberknecht (Mitopus glacials). Dies ist eine Spezies, die nur über der Baumgrenze in Blockhalden oder an vertikalen Felswänden vorkommt. Dieses Individuum haben wir auf dem Piz Quattervals auf 2400 m ü. M. von Hand gefangen. Dabei hat das Tier zwei Beine abgeworfen, was auf dem Bild gut ersichtlich ist.

Vernachlässigte Forschung

Die Weberknechtforschung wurde in der Schweiz seit 1980 vernachlässigt. Im Gegensatz zu den umliegenden Ländern wie Deutschland, Österreich und Italien gibt es in der Schweiz nur vereinzelt Fundorte, die nach 1980 veröffentlicht wurden. Durch die einzigartige Topografie der Schweiz sind hier viele endemische Pflanzen- und Tierspezies präsent. Aus diesem Grund könnten auch endemische Weberknechtarten in der Schweiz zu finden sein. Denn Weberknechte kommen nicht nur im Flachland vor, sondern auch in alpinen Regionen von bis zu 3000 m ü. M. Besonders interessant sind die alpinen Weberknechtarten, denn diese sind womöglich nur sehr lokal verbreitet.

Ideale Klima-Indikatoren

Diese Unwissenheit stellt eine Lücke dar, denn Weberknechte sind ideale Mikroklima-Indikatoren. Sie reagieren bereits auf geringe Veränderungen in den klimatischen Verhältnissen ihres Habitats. Daher sind Weberknechte wertvolle Tiere für die Klimaforschung. Durch die Erwärmung der Erdoberfläche bewegen sich Pflanzen und Tiere in höhere Lagen. Dieses Phänomen wurde auch bei vielen wirbellosen Tieren nachgewiesen. Das führt dazu, dass alpine Arten in Gefahr sind, da sie keine Ausweichmöglichkeit mehr nach oben haben und von den aufsteigenden Arten verdrängt werden.

Spannende Masterarbeit

Seit Sommer 2022 wird eine Masterarbeit über die Höhenverbreitung der im SNP präsenten Weberknechte durchgeführt. Die Tiere haben wir mittels Bodenfallen und per Hand über zwei Monate hinweg gefangen. Beprobt wurden zwei Täler: die Valletta und die Val Sassa. In der Val Sassa legten wir ein Höhentransekt. Entlang einer gedachten Linie brachten wir pro 100 Höhenmeter je drei Bodenfallen aus. Insgesamt haben wir 39 Bodenfallen aufgestellt, um die Höhenverbreitungsmuster der Weberknechtarten zu erfassen. Ausserdem halten wir alle Funde in einer Artenliste fest. Diese Arbeit soll weiterführende Forschungen bezüglich des Klimawandels ermöglichen. Die Beprobung soll in einigen Jahren wiederholt werden, um festzustellen, ob sich die Arten in die Höhe verschoben haben und wenn ja, wie stark.

Momentan werden die Individuen nach morphologischen Merkmalen bestimmt. Ausserdem versuchen wir mit Hilfe des «genetischen barcodings» die Arten auch genetisch zu charakterisieren. Wir sind gespannt darauf, herauszufinden, welche Arten wir finden und wie ihre Verbreitungsmuster aussehen. Eines ist auf jeden Fall klar: den Weberknechten wird zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt und dies wird sich nun ändern.

Bei einer Barberfalle werden zwei ineinander gestellte Plastikbecher im Boden eingegraben. Ein Plexiglasdach schützt die Falle vor Wind und Wetter. Im Plastikbecher befindet sich eine Mischung aus Formaldehyd und einem Fixierungsmittel. Die wirbellosen Tiere fallen in die Becher und werden dort konserviert.
Bei einer Barberfalle werden zwei ineinander gestellte Plastikbecher im Boden eingegraben. Ein Plexiglasdach schützt die Falle vor Wind und Wetter. Im Plastikbecher befindet sich eine Mischung aus Formaldehyd und einem Fixierungsmittel. Die wirbellosen Tiere fallen in die Becher und werden dort konserviert.
Die Masterstudentin Malin Röllin beim Leeren einer Bodenfalle im SNP.
Die Masterstudentin Malin Röllin beim Leeren einer Bodenfalle im SNP.

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