Die Bestäubung ist eine der wichtigsten Systemleistungen der Insekten.
Die Bestäubung ist eine der wichtigsten Systemleistungen der Insekten. © SNP, Hans Lozza

Neue Sonderausstellung «Respekt, Insekt!»

Stefan Triebs Erschlagen, vergiftet und verhasst, aber auch vielfältig, unentbehrlich und höchst gefährdet – das sind Insekten.
Die neue Sonderausstellung im Nationalparkzentrum in Zernez nimmt diese unterschätzte Tierklasse unter die Lupe. Am 21. März ist Vernissage.

Insekten sind die weltweit artenreichste Tierklasse. Rund eine Million Insektenarten sind bisher bereits beschrieben worden. Damit sind etwa drei Viertel aller Tierarten Insekten. Schätzungen gehen davon aus, dass es noch ein paar weitere Millionen Insektenarten gibt, die aber bisher noch nicht erforscht wurden. Entsprechend ihrer Vielfalt besiedeln sie bis auf die Ozeane alle Lebensräume dieser Erde.
Allen Insekten gemeinsam ist, dass sie aus einem Ei schlüpfen. Anschliessend durchlaufen sie teils eine unvollständige, meist aber vollständige Metamorphose. Aus dem Ei schlüpft die Larve, die schliesslich eine Puppe bildet, aus der dann das erwachsene Tier schlüpft. Faszinierend und ökologisch bedeutungsvoll ist, dass Insekten in ihren unterschiedlichen Entwicklungsstadien teilweise ganz andere Lebensräume besiedeln. So gelangen zum Beispiel bei den Köcherfliegen die Eier ins Wasser, entwickeln sich dort zur Larve, und diese kehren erst zum Schlupf ans Land zurück.
Allen erwachsenen Insekten gemein ist auch der einheitliche Bauplan: Ein in drei Teile gegliederter Körper (Kopf, Brust und Hinterleib), sechs Beine und zwei Fühler. Einzig bei den Flügeln gibt es Abweichungen von vier über zwei bis zu gar keinen.

Die Alpine Gebirgsschrecke ist eine der 112 Heuschreckenarten in der Schweiz.
Die Alpine Gebirgsschrecke ist eine der 112 Heuschreckenarten in der Schweiz. © SNP, Annina Buchli

Unbezahlbare Leistungen

Insekten können unglaublich lästig sein. Wer schon einmal mit Bettwanzen oder Kopfläusen zu tun hatte, kann ein Lied davon singen. Andere können schmerzhafte Stiche zufügen, Krankheiten übertragen oder in der Landwirtschaft ganze Kulturen kahl fressen.
Demgegenüber stehen aber zahlreiche, wahrhaftig unbezahlbare Leistungen: Ohne Insekten wären die stetigen Naturkreisläufe vom Werden, Sein und Vergehen massiv infrage gestellt. Nur schon in der Schweiz beträgt der geschätzte Wert der Bestäubungsleistung der nimmermüden Bienen, Fliegen und Schmetterlinge rund 350 Millionen Franken jährlich. Kommt hinzu, dass sie Läuse und Raupen, die beispielsweise Bäumen Schaden zufügen, gleich selber wieder eliminieren.
«Abfallprodukte» wie Laub, Totholz, Kadaver oder Exkremente zerkleinern und rezyklieren Insekten fein säuberlich. Zusammen mit weiteren Organismen sorgen sie für frischen Humus, die Grundlage neuen Lebens.
Oft endet das eigene Leben von Insekten ganz abrupt, wenn sie als wichtiges Glied in der Nahrungskette zum Beispiel von Vögeln, Amphibien, Fledermäusen oder Fischen vertilgt werden.

Alarmierender Rückgang

Während der letzten Jahrzehnte ist ein massiver Rückgang von Insekten festgestellt worden. Neben vielen Arten hat auch die Gesamtzahl der einzelnen Individuen massiv abgenommen. Damit droht das oben beschriebene Gefüge auseinanderzubrechen – mit bisher ungeahnten Folgen für die Menschheit.
Für den Rückgang der Insekten sind mehrere Faktoren verantwortlich: Der Einsatz von Insektiziden in der Landwirtschaft bekämpft die Insekten ganz direkt. Düngemittel und Herbizide verändern die Zusammensetzung der Flora und eliminieren ihre Nahrungsgrundlage. Viele Insektenarten sind auf eine ganz bestimmte Futterpflanze angewiesen. Ist diese nicht mehr vorhanden, verschwindet auch das Insekt.
Ein weiterer Grund für den Rückgang ist die Zerstörung der Lebensräume. Forschungsresultate aus dem Schweizerischen Nationalpark (SNP) belegen das sehr eindrücklich: Der Genfer Schmetterlingsforscher Arnold Pictet untersuchte ab den 1920er-Jahren die Schmetterlingsfauna im Nationalpark. Er stellte insgesamt 98 Tagfalterarten fest. 70 Jahre später wurde dieses Inventar wiederholt. Während im Mittelland und im voralpinen Gelände durch die Intensivierung der Landwirtschaft Magerwiesen und mit ihnen die Tagfalter weitgehend verschwunden sind, konnten im unberührten Nationalpark noch 88 Prozent der bereits damals bekannten Arten nachgewiesen werden. Allerdings liess sich auch im SNP ein Höhersteigen der Arten feststellen, eine Folge des Klimawandels.

Käfer besitzen ein Flügelpaar, das von festen Deckflügeln überdeckt ist und eine eigentliche Panzerung bildet.
Käfer besitzen ein Flügelpaar, das von festen Deckflügeln überdeckt ist und eine eigentliche Panzerung bildet. © SNP, Annina Buchli

Respekt, Insekt!

Die erstaunlichen Leistungen der Insekten lösen bei vielen Menschen Bewunderung und grossen Respekt aus. Genau an diesem Punkt setzt die vom Naturama Aargau konzipierte Ausstellung «Respekt, Insekt!» an. Sie fördert das Verständnis für die Lebensweise der Insekten und zeigt Zusammenhänge auf. Daneben vermittelt sie auch Anregungen, was wir direkt dazu beitragen können, damit die einheimische Insektenfauna erhalten bleibt. Ein Modul nimmt dabei sogar unseren Einkaufskorb unter die Lupe: Welchen Einfluss hat z. B. ein WC-Duftstein oder der Kauf einer Ananas auf unsere Insekten?

Anlässlich der Vernissage am 21. März 2024 um 19.00 Uhr im Nationalparkzentrum in Zernez wird Jasmin Winkler vom Naturama Aargau die Idee und das Konzept der Ausstellung erläutern.

Moderation: Hans Lozza, Leiter Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit SNP

Die Ausstellung dauert vom 21. März 2024 bis zum 8. März 2025.

Weitere Informationen: nationalparkzentrum.ch

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