Mats Steger ist spannend – und tätowiert. Aber er ist nicht spannend, nur weil er tätowiert ist, höchstens ein klein wenig. Zahlreiche Sujets zieren seinen Körper, nicht alle sind für alle sichtbar.
Das erste liess er sich vor 23 Jahren stechen, wobei stechen eigentlich falsch ist, wie er erklärt. Es sei eher ein Ritzen und verbreite einen konstanten Schmerz, dadurch liesse sich dieser aber auch besser aushalten. Eine Welle ziert seitdem seine Schulter, denn in jüngeren Jahren war Mats ein Wassermann. Sein Lieblingstattoo aber ist eine Ameisenstrasse. Verstärkt hat die Liebe noch, dass sich seine beiden mittlerweile erwachsenen Töchter je eine der Ameisen aus der Strasse tätowieren liessen. Damit wäre auch geklärt, was sie von den Tattoos ihres Vaters halten.
Dissertation am Ärmelkanal
Das mit dem Wasser war aber schon ernst, denn früher liebte Mats das Meer und die Berge, das Meer eher mehr. Mittlerweile hat sich diese Liebe etwas verschoben. Nach seinem Chemiestudium an der Uni Zürich wollte er eigentlich Fotograf werden, reiste und fotografierte, publizierte auch, doch irgendwann entschloss er sich doch für eine Doktorarbeit. Eigentlich der Grundstein, wenn man nach dem Studium der Chemie irgendwohin kommen will. Er kam für die Diss nach Brighton in Südengland an den Ärmelkanal und dort begann er zu tauchen. Eben, Mats ist spannend und ein wenig speziell, denn wer will schon am Ärmelkanal tauchen? Voller Leben sei dieses Gewässer, erklärt er, aber eben dunkel und nicht so freundlich, führt er weiter aus. Viele Schiffswracks habe es dort und in diesen wiederum tummelten sich viele Fische und Leben. Fotografiert hat er dann auch unter Wasser.
Als dann aber seine Töchter zur Welt kamen, musste er einsehen, dass Tauchen extrem antikompatibel zum Familienleben ist. Wohl habe der Tauchgang nur eine knappe Stunde gedauert, die Vorbereitung darauf aber rund vier. Deshalb hat er sich langsam von seinem ersten Hobby distanziert und seine Aktivitäten in sein zweitliebstes Gebiet, die Berge, verlagert.
Early Trailrunner
Er begann mit dem Trailrunning, als es für diese Sportart noch nicht mal einen Namen gab, vor rund 25 Jahren. Mit Joggingschuhen sei er auf den Wanderwegen gerannt, die Verpflegung in einem kleinen Rucksack, der ständig hin- und hergeschlagen habe. Einmal habe er es mit einer Bauchtasche probiert, die Folge waren Bauchschmerzen. Deshalb feiert Mats die Gilets, welche heute die Trailrunner von den kommunen Wandernden oder Joggenden unterscheiden. Vor allem aber hatte er genug Bewegung, wenn er frühmorgens eine Stunde hoch und eine halbe runterrannte, danach konnte er entspannt mit seinen Töchtern spielen.
Gearbeitet hat er aber schon auch noch, in ähnlichem Tempo, wie er rannte. Nach dem Studium bei Roche, wo er 1999 begonnen hat. Damals habe man nach dem Vorstellungsgespräch noch eine Flasche Rotwein getrunken, erinnert er sich und in der Firma hätten sie Französisch oder Deutsch gesprochen. Heute trinke niemand mehr Rotwein, dafür seien die Top Manager auch topfit und würden von Marathon aufwärts alles rennen, was es so an Herausforderungen gäbe. Und gesprochen würde nur noch Englisch. Dank seiner Lebenserfahrung ist Mats auch gut in Wirtschaftsgeschichte. Den «Turning Point» lokalisiert er etwa um 2010.
Bei Roche blieb er ein paar Jahre und baute danach eine eigene Biotech-Firma auf – erfolgreich muss man sagen, denn sie wurde aufgekauft.
On the dark side
Bis dahin war Mats Steger primär als Forscher tätig, nach dem Buyout begann ihn aber die Wirtschaft stärker zu interessieren, was sich in einem Master of Business Administration niederschlug. Danach habe er auf die «dark side» gewechselt, bekennt er freimütig. Angesichts der Tätowierungen würde man Death Metal oder etwas dergleichen erwarten, doch Mats Steger meint das Investment Banking, wo er Biotech-Firmen analysierte. «Supercool ist das gewesen», bilanziert er. Denn keiner der anderen Banker habe dieses Geschäft richtig verstanden. Für Mats galt demzufolge auch kein Dresscode. Nach spannenden Banking-Jahren holte ihn die Roche wieder zurück und übertrug ihm die weltweite Leitung für Forschungs- und Technologie- Partnerschaften. Anstatt als Food Scout weltweit neue Nahrungsmittel zu scouten, so Mats’ Beschreibung, suchte er auf der ganzen Welt vielversprechende Forschungsprojekte. Und fand diese auch. Über 100 Deals habe er in sieben Jahren abgeschlossen, vermeldet er durchaus stolz. Mit diesem «Gilet» voller Erfahrungen gründete er dann wieder eine Biotech-Firma und schaffte es mit seinem Team innert acht Jahren zwei Projekte in die «Klinik», in die klinische Studie, zu bringen. Ein Strategiewechsel der Firma vor zwei Jahren brach ihm dann aber das Genick respektive kostete ihn die Stelle – ohne «Exit», wie Steger seinen Abgang beschreibt.
Granola aus Scuol
Deshalb ist Mats Steger seit zwei Jahren als Berater in der Biotechbranche tätig und kommt dabei immer mal wieder in der Welt herum. Meistens aber arbeitet er zwei Tage fix im Büro, den Rest kann und will er nach Belieben gestalten. Positiv am Ganzen findet er, dass er seit knapp zwei Jahren fest in Scuol wohnt, nachdem er samt Familie seit ungefähr zehn Jahren hierher in die Ferien gekommen ist. Eben, die Liebe hat sich etwas verlagert – vom Wasser in die Berge. Dies lasse sich auch auf seinen Körperskizzen ablesen, einen Wasser- und einen Berg-Arm habe er deshalb. Den Ausschlag für den Umzug nach Scuol habe vor allem die offene Landschaft und die fehlenden Felswände vor dem Stubenfenster gegeben, und natürlich die netten Leute. Mit den einen oder anderen trifft er sich auch oder geht auf Skitouren, allerdings eher mit den Schnelleren. Auch dem Trailrunning ist er treu geblieben, immer begleitet von seinem Hund Yo-Yo, ebenfalls sehr bewegungsfreudig, weshalb ihn Mats auch ausgewählt hat.
Und apropos Ablesen oder Lesen, dies ist Mats’ Beruf und Berufung überhaupt. Beruflich viel Fachliteratur, deshalb privat Prosa. «Das Leben ist gut» von Alex Capus und «22 Bahnen» von Caroline Wahl sind seine aktuellen Bücher, denn privat lasse er sich lieber unterhalten. Wenn er nicht grad selber aktiv ist und beispielsweise Granola produziert, was sein neustes Projekt ist. Dabei setzt er nur auf beste Zutaten: Bio, lokal und gesund sollen sie sein. Denn Mats ist Feinschmecker, legt aber grossen Wert darauf, was in seinen Körper kommt, weil der ja viel leisten muss. Zu kaufen gibt’s die Granolas im Bio Betschla oder in der Butia La Strietta und zu geniessen am Frühstücksbuffet im neuen Restaurant Üja in Scuol.
Also alles in allem schon noch spannend, dieser Mats, oder? Auch mit den Tattoos.