Goldenes Kornfeld wie früher – der traditionelle Getreideanbau erlebt in unserer Region eine neue Blüte.
Goldenes Kornfeld wie früher – der traditionelle Getreideanbau erlebt in unserer Region eine neue Blüte. © Gaudenz Danuser

Von goldenen Garben und dem Heu

Jürg Wirth Getreide war schon immer wichtig in unserer Gegend. Früher bedeutete das einfach mehr Handarbeit.

Gegenwärtig erlebt der Getreideanbau im Unterengadin und dem Val Müstair ein Revival, auf vielen Flächen gedeiht wieder Gerste oder gar Hafer. Früher, sprich vor mehr als 200 Jahren, war der Getreideanbau selbstverständlich respektive überlebenswichtig. Dies beschreibt Jon Mathieu in seinem Buch «Bauern und Bären, Eine Geschichte des Unterengadins von 1650 bis 1800» eindrücklich. 

Zu Beginn zitiert er den Ftaner Chronisten Martin P. Schmid, welcher die mengenmässige Aufteilung der verschiedenen Getreide ermittelt hat. Die Hälfte des gesäten Getreides war Gerste, rund ein Drittel Roggen, und der Rest teilte sich in Weizen, Erbsen und wenig Flachs.

Gerste, so Schmid, war damals ein sicherer Wert und gab immer Erträge aus, allerdings nur zum Kochen, wie er leicht verächtlich notiert. Er wusste damals auch noch nichts vom späteren Engadiner Nationalgericht. Das Ganze bei kurzem Stroh, was nur mässig beliebt war, jedoch vollkommen verständlich, weil Gerste einfach weniger hoch wächst als Roggen.

Roggen wuchs nicht nur hoch, sondern war auch die eigentliche Brotfrucht. Gesät wurde er normalerweise im Herbst, was aber auf hoch gelegenen Äckern wie beispielsweise jenen von Ftan auf 1630 Metern über Meer öfter zu Problemen, sprich kleinen Ernten, führte. In Ramosch, der eigentlichen Kornkammer des Unterengadins auf 1230 Metern über Meer gelegen, gedieh der Roggen hingegen prächtig und machte den grössten Teil der Getreideproduktion aus. Allerdings liess sich der Roggen in höher gelegenen Gebieten überlisten, dann nämlich, wenn ihn die Bauern im Frühjahr säten und die Ernte nach einem ersten Grünschnitt erst im Sommer des nächsten Jahres einbrachten. 

Viel Handarbeit und Personal

Doch egal, ob Roggen oder Gerste, vor dem Säen musste erst der Acker bereitgemacht werden, sprich, gepflügt. Dies geschah mit Hilfe eines Gespanns, dem je nach Budget des Bauerns ein Ochse oder ein Pferd vorlief. Der Bauer führte das Zugtier und die Knaben lenkten den Pflug. Hinter dem Gespann folgten Frauen, welche mit ihren Hacken die Schollen von Hand zerkleinerten. 

Nach dem Säen machten die Bauern dem Unkraut mit einer Egge nochmals den Garaus. Zwischendurch galt es dann noch zu jäten, was damals Frauensache war. 

Das Getreide erntete man mit der Sense respektive schnitt die Pflanzen damit. Dies war ausnahmslos den Männern vorbehalten, die Frauen banden danach die Garben. 

Die Erntezeit für den Roggen war meist Ende Juli oder Anfang August, für die Gerste im September. Diese packte man danach in Tücher und fuhr sie in die Scheune. 

Wintergetreide war aufwendiger, es wurde ebenfalls mit der Sense geschnitten, danach zu Garben gebunden (… holt die goldnen Garben…) und in Haufen von 10 bis 12 Garben pyramidenförmig aufgestellt und in diesem Aufbau zwei bis drei Wochen auf dem Acker trocknen gelassen. Danach luden sie die Garben äusserst sorgfältig auf den Wagen, sonst wären die reifsten und besten Körner rausgefallen. War dies trotzdem der Fall, sammelten die Frauen die guten Körner wieder auf. Die mindere Ware überliessen sie dann den Armen. 

In der Tenne schliesslich wurde das Getreide gedroschen, meist mit dem beweglichen Dreschflegel. Diejenigen, die sofort Brot respektive Getreide dafür benötigten, droschen unmittelbar nach der Ernte. Wer es sich leisten konnte, wartete bis Ende Oktober. Dann schlugen sie das Getreide erst gegen die Scheunenwand und droschen nachher in Gruppen. Ein also durchaus geselliger Anlass. Danach wurde das Gedroschene gesiebt und anschliessend in die Mühle gebracht. 

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