Der Hüttenwart muss es gut mit Menschen können

Jürg Wirth Christian Wittwer ist Hüttenwart in der Tuoi-Hütte. Sein Arbeitsalltag ist nicht so, wie der in der Serie Hüttengeschichten im Fernsehen. Doch ihm gefällt die Arbeit mit den Gästen, und auch kochen tut er gerne.

Schauen Sie Hüttengeschichten auf SRF?

Nicht oft, weil ich selber keinen Fernseher habe. Doch ab und zu erzählen mir Gäste davon.

Ist die Serie realistisch?

Zum Teil schon ja, zum Teil ist das Ganze aber auch in eine Geschichte eingebunden, welche die ganze Sache zusätzlich spannend machen soll. Denn der normale Hüttenalltag ist eher banal.

Das bedeutet?

Banal ist vielleicht das falsche Wort, aber in der Serie kommt für mich zu wenig zur Geltung, dass sich der normale Hüttenalltag vor allem um den Kontakt mit den Gästen dreht. Vielmehr versucht die Sendung, die zwischenmenschlichen Geschichten der Menschen, welche die Hütten führen, darzustellen.

Es geht also nicht so darum, zu zeigen, was einen Hüttenwart ausmacht?

Ja, eindeutig.

Und was macht denn einen Hüttenwart aus?

Der Hüttenwart oder die Hüttenwartin muss organisieren können. Auch müssen sie es gut können mit Leuten, man sollte Freude haben, wenn Leute kommen. In meinem Fall schätzen die Leute zusätzlich noch, dass ich Bergführer bin und die Gäste für Touren oder Exkursionen beraten kann.

Wie sind Sie denn Hüttenwart geworden?

Als ich 50 Jahre alt wurde, habe ich festgestellt, dass meine Knie nicht mehr die besten waren und der Beruf in Vollzeit als Bergführer nicht mehr drinliegt. Als ich dann gesehen habe, dass die Tuoi-Hütte frei wird, habe ich mich beworben und den Zuschlag bekommen.

Jetzt geniesse ich das Führen zwischendurch und die Arbeit in der Hütte. Mittlerweile bin ich schon fünf Jahre Hüttenwart der Tuoi-Hütte.

Können Sie gut kochen?

Ich konnte schon vor meinem Arbeitsbeginn in der Hütte etwas kochen. Vor allem aber biete ich eine gute, einfache Küche an, und die Leute schätzen das sehr.

Welches ist denn der Klassiker?

Ganz klar Pizzocheri. Das ist ein dankbares Gericht, auch weil es noch vegetarisch ist und also für Vegetarier auch gut geht, doch auch die Fleischesser mögen Pizzocheri sehr.

Sind denn die Essansprüche und -gewohnheiten der Gäste komplizierter geworden?

Also, in den letzten fünf Jahren habe ich so direkt nichts davon bemerkt.

Welches sind die grössten Herausforderungen für einen Hüttenwart?

Momentan ist es sicher die ganze Situation mit Corona. Die Planung ist im Moment extrem schwierig. In einem normalen Winter könnte ich mit rund 2000 Übernachtungen rechnen, dieses Jahr weiss ich überhaupt nicht, womit ich rechnen soll.

Und wie geht es weiter?

Im Februar eröffne ich die Hütte, rechne allerdings noch mit einem ruhigen Februar. Im März hoffe ich dann allerdings schon, dass die Gäste wiederkommen, vor allem diejenigen aus Deutschland, denn von denen lebe ich eigentlich.

Von den deutschen Gästen?

Ja. Weil die Tuoi-Hütte in der Schweiz sehr peripher liegt, ist das Gästeaufkommen nicht so gross wie beispielsweise in Hütten im Zentrum der Schweiz. Weil die Hütte aber nahe an der Grenze liegt, kommen eben viele deutsche Gäste.

So waren die Sommer in der Tuoi-Hütte eigentlich nie wirklich stark, aber ich bin zufrieden.

Tauschen Sie sich mit anderen Hüttenwarten aus?

Ja, wir sind vereint im Verein der Schweizer Hüttenwarte, da gibt es ein jährliches Treffen. Aber auch mit den Hüttenwarten in der näheren Umgebung pflege ich einen regen Austausch.

Und wie lange wollen Sie noch Hüttenwart bleiben?

Sicher nicht mehr länger als zehn Jahre.

Oder bis Sie ins Fernsehen kommen?

Nein, nicht unbedingt. Allerdings bin ich auch schon im Fernsehen, zum Beispiel in einem Trailer von Schweiz Tourismus.

Nach meiner Karriere als Hüttenwart hege ich noch andere Pläne.

Welche denn?

Ich möchte gerne noch etwas reisen, überall dorthin, wo es Berge gibt, zum Beispiel in die Türkei, in den Iran oder nach Südamerika, aber auch in den Alpen gibt es noch blinde Flecken, sprich riesige Gebiete, die ich noch nicht kenne.

Wie sind Sie überhaupt in die Region gekommen?

Wegen der Jagd.

Ich bin ein angefressener Jäger und wollte unbedingt mal auf der Bündner Hochjagd einen Hirsch erlegen.

Hat’s geklappt?

Ja, gleich am ersten Tag der Jagd. Ich habe dann die Jagd aber trotzdem fertig gemacht und bin im Engadin geblieben.

Und ursprünglich kommen Sie woher?

Aus dem Kandertal. Von dort, wo sie die Lawinensprengmasten herstellen, die auf dem Chapisun zwischen Lavin und Guarda stehen.

Haben Sie auch Basejumping betrieben?

Nein, das ist nicht mein Ding. Ich klettere zwar gerne steile und schwierige Sachen, aber so in die Luft rausspringen könnte ich nicht.

Wie oft führen Sie denn heute noch?

Ungefähr 30 Tage im Jahr. Da habe ich vor allem eine Stammkundschaft, zum Teil sind das auch Leute, die in der Hütte übernachten und die dann grad mit mir auf den Piz Buin kommen.

Jetzt im Winter sind ja eher Skitouren angesagt, was gefällt Ihnen da?

Ich fahre sehr gerne Ski und freue mich, wenn ich das Gipfelerlebnis mit einer rassigen Abfahrt verbinden kann.

Skitouren machen liegt ja sehr im Trend, finden Sie das gut?

Es kommt etwas drauf an, wo das im Trend liegt. Das Unterengadin jedenfalls ist immer noch ein Geheimtipp. Ich bin oft hier unterwegs, aber treffe kaum je Leute, grad diesen Januar wars extrem ruhig.

Für die Tuoi-Hütte ist es gut, wenn immer mehr Leute Skitouren machen, das gibt neue Gäste.

Ich glaube aber, dass dieser Trend anhält, bis zwei, drei schlechte Winter kommen und dann dreht es wieder.

Braucht es für die Skitour einen Bergführer?

Sicher nicht unbedingt. Doch war ich beispielsweise Ende Januar mit zwei Gästen unterwegs. Weil es fast die ganze Woche geschneit hat, hätten sie alleine wahrscheinlich nur Winterspaziergänge machen können. Mit dem Bergführer waren dann aber doch Touren möglich.

Welches ist Ihre Lieblingstour im Engadin?

Die auf den Piz Sarsura.

Und haben Sie noch einen Wunschberg?

In der Schweiz eigentlich nicht, da war ich schon fast überall. Doch in den französischen Alpen würde ich gerne noch die Aiguille Tibonnaz machen und La Mêche. Alles in allem habe ich doch ein schönes Palmares an Routen und Gipfel.

Welches waren denn Ihre wichtigsten Gipfel?

Diejenigen im Mont-Blanc-Gebiet. Da habe ich zwei anspruchsvolle Routen mit Bergsteigen und Klettern gemacht.

Der Himalaya reizt Sie nicht?

Da war ich noch nie, möchte aber auch nicht gehen. Ich vertrage die grosse Höhe nicht. Dreimal habe ich auf 4500 Meter übernachtet und habe immer schlecht geschlafen und bin mit Atemnot aufgewacht.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Was sich im Moment alle wünschen, dass sich die Lage bald normalisiert und dass Corona nicht mehr unseren Alltag bestimmt.

Geführte Skitouren

Abseits des Pistenrummels eigene Spuren in den pulvrigen Schnee ziehen? Auf einer geführten Skitour ist dies möglich. Vermietung des benötigten Materials und Organisation einer Tour inklusive Bergführer kann bei ausgewählten Sportgeschäften in der Region erfolgen.

Weitere Informationen erhalten Sie bei der Gäste-Information in Ihrer Nähe oder online auf:

scuol-zernez.engadin.com

samnaun.ch

val-muestair.ch

Christian Wittwer ist vor allem Hüttenwart in der Tuoi-Hütte, zwischendurch amtet er aber immer noch als Bergführer.
Christian Wittwer ist vor allem Hüttenwart in der Tuoi-Hütte, zwischendurch amtet er aber immer noch als Bergführer. © zvg
Zur Person

Christian Wittwer ist seit sechs Jahren Hüttenwart in der Tuoi-Hütte im gleichnamigen Tal oberhalb von Guarda. Ins Engadin gekommen ist er wegen der Jagd, und vor seiner Arbeit als Hüttenwart hat er als Bergführer gearbeitet. Noch immer leitet er einzelne Touren.

Das könnte Sie auch interessieren