Vater und Sohn Pitsch vor den Geisseln, die vor allem vor Chalandamarz sehr begehrt sind.
Vater und Sohn Pitsch vor den Geisseln, die vor allem vor Chalandamarz sehr begehrt sind. © Jürg Wirth

Geisseln und Handtaschen

Jürg Wirth Die Sattlerei A. Pitsch in Müstair existiert bereits seit 1958. Erst produzierte sie vor allem fürs Militär, jetzt hat sich Inhaber Andrea Pitsch auf Spezialanfertigungen für die anspruchsvolle Kundschaft spezialisiert.

An bester Passantenlage liegt sie nicht gerade, die Sattlerei Andrea Pitsch in Müstair. Der etwas unscheinbare Eingang an der Strasse Pasquer, welche oberhalb der Durchfahrtsstrasse durchs Dorf verläuft, ist eher schwer zu finden. Nichtsdestotrotz existiert die Sattlerei bereits seit 63 Jahren. Sie muss also andere Qualitäten aufweisen als eine gute Passantenlage. Dies bestätigt bereits ein erster Blick in den Laden, in dem es auch nach Leder riecht, allerdings nicht nur. Ins Auge stechen die zahlreichen Glocken und Schellen mit Lederriemen, viele Rucksäcke, aber auch Taschen und Gamaschen.

Gegründet hat den Betrieb Clot Pitsch, der Vater von Andrea. Er wurde Sattler, weil er als 15-Jähriger einmal zusehen konnte, wie der Sattler von Valchava eine Geissel anfertigte, die er bestellt hatte.

Andrea hat sich dann ebenfalls für den Beruf des Sattlers entschieden und die Lehre der Einfachheit halber gleich im väterlichen Betrieb gemacht.

Sattler und Tüftler

Bis 2008 hätten sie vor allem fürs Militär produziert, erinnert sich Andrea. Rucksäcke, Gürtel und dergleichen mehr. Aus dieser Zeit stammen auch noch die grossen Industrienähmaschinen, die an der Fensterfront des hellen Ateliers im Untergeschoss des Verkaufslokals stehen. Irgendwann seien dann aber die Aufträge vom Staat ausgeblieben, und die Pitschs mussten sich quasi neu erfinden. Ein Prozess, der vor allem bei Andrea viel Energie und Kreativität freigesetzt hat. «Flugzeugkonstrukteur wäre ich auch noch gerne geworden», meint dieser mit einem verschmitzten Lächeln. Weil er nun aber Sattler ist, lebt er sein Tüftler-Gen eben an der Nähmaschine aus. Zum Beispiel, wenn er wieder einen neuen Rucksack entwirft. An die Stelle des Militärs als Auftraggeber und Kunden seien nämlich jetzt die Jäger und Forstleute getreten, erklärt er. Und deren Sonderwünsche erfüllt er, soweit das möglich ist. So tüftelt er an neuen Verschluss- und Traggurtsystemen, an Stützen und Rahmen, die den Tragekomfort erheblich erleichtern. Und er hat auch ein Tragegestell produziert, welches nur dafür da ist, erlegte Gämsen und Steinböcke ins Tal zu bringen. Äusserst beliebt und begehrt sind auch Pitschs Gamaschen, vor allem bei den Waldarbeitern, weil seine Gamaschen äusserst robust und langlebig wären. Diese bestehen nicht mehr aus Leder, sondern aus einem starken Kunststoffmaterial. Schliessen lassen sie sich entweder mit einem stabilen Reissverschluss oder mit Seitenverschnürung. Besonders auf die Wasserdichtheit wurde durch die hochwertige Polyurethanbeschichtung in der einen oder anderen Ausführung grosser Wert gelegt. Doch auch den klassischen Lederrucksack stellt Pitsch noch her, wenn die Kundschaft danach fragt. Doch nicht alles näht Pitsch selber, denn er hat auch eine Näherin eingestellt.

Das helle Atelier der Sattlerei A. Pitsch.
Das helle Atelier der Sattlerei A. Pitsch. © Jürg Wirth

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