Aus der Braugerste lässt Gran Alpin Braumalz herstellen. Vorerst noch in Deutschland aber vielleicht schon bald in der Schweiz.
Aus der Braugerste lässt Gran Alpin Braumalz herstellen. Vorerst noch in Deutschland aber vielleicht schon bald in der Schweiz.

Goldene Äcker und geschmackvolles Bier – vom Getreideanbau in den Bergen

Jürg Wirth Der Ackerbau hat in der hiesigen Region eine lange Tradition – sowie eine leuchtende Gegenwart und Zukunft. Dank engagierten Züchtern und Biologen, Gran Alpin und auch dank der Bieraria Tschlin.  

«In den Jahren 1774 und 1775 pflanzte die Familie Schmid in Ftan auf ihren Äckern zur Hälfte Gerste, zu einem guten Drittel Roggen an und den Rest füllten sie mit Weizen und Erbsen auf, dazu auf einer ganz kleinen Fläche Flachs, erforschte Jon Mathieur in seinem Buch «Bauern und  Bären». Das Engadin war also schon immer Ackerbaugebiet oder «die Kornkammer Graubündens», wie es Padruot Fried nennt. Daran hat sich bis in die heutige Zeit nicht viel geändert, höchstens zwischendurch mal, aber mittlerweile kehrt der Ackerbau wieder zur alten Grösse zurück.
Verändert haben sich jedoch die Anbaumethoden und auch die Flächen der einzelnen Äcker, was wiederum mit den Anbaumethoden zusammenhängt. Früher war Ackerbau vor allem Handarbeit, unterstützt im besten Falle von zugkräftigen Ochsen oder in noch besseren Fällen von Pferden. Anbauflächen waren die Terrassen, welche auch deshalb zu Terrassen wurden, weil die Bauern mit ihren kinderreichen Familien die vom oberen an den unteren Rand gewanderte Erde immer wieder hochzutragen hatten. «Trar sü terra» nannte man dies, was anstrengend und aufwendig war. Heute lässt sich der Ackerbau maschinell bewerkstelligen, was die ganze Sache vereinfacht und für zunehmende Ackerflächen mit Getreide sorgt.

 

Braugerste aus dem Engadin

Im Engadin ist dieses zu einem grossen Teil Braugerste, welche dann die Bieraria Tschlin übernimmt und verarbeitet. Im Jahre 2018 wuchs auf insgesamt acht Hektaren Braugerste im Engadin, bis ins Jahr 2019 stieg die Fläche auf 20 Hektaren. Im ganzen Kanton betrug die Braugerstenfläche 56 Hektaren und der Ertrag 137 Tonnen. Dies, nachdem sich der Ertrag im Jahr 2018 sogar auf knapp 153 Tonnen belief, bei einer bebauten Fläche von lediglich 38 Hektaren. Maria Egenolf, Geschäftsführerin von Gran Alpin, welche für den Getreideanbau im Berggebiet verantwortlich ist, hofft, dereinst auf 200 Tonnen Braugerste zu kommen. Dass der Ertrag steigt, hängt also nicht nur von der Anbaufläche ab, sondern auch von der Witterung und dem richtigen Saatgut. Und dort ist man jetzt im Engadin einen grossen Schritt weiter. Bislang säten die Bauern die Sorte «Quench». Alle Gran-­Alpin-Produzenten müssen zwingend dieselbe Sorte verwenden, damit der Keimzeitpunkt beim Mälzen gleich ist, sagt Maria Egenolf. Quench sei durchaus eine gute Sorte, sagt sie auch, allerdings mit dem Nachteil, dass das Korn eher spät reif ist. Dies birgt gerade in höheren Lagen, welche der obere Teil des Unterengadins durchaus aufweist, das Problem, dass immer mal wieder ein verfrühter Schneefall die Ernte beeinträchtigt oder gar zunichte macht. Deshalb hat sich Gran Alpin auf die Suche nach neuem Saatgut gemacht und dazu den eingangs erwähnten Padruot Fried kontaktiert. Fried ist wohl schon länger pensioniert, steht jedoch im Unruhestand und ist Getreidezüchter durch und durch. Als solcher hat er bei der Forschungsanstalt Reckenholz bei Zürich gearbeitet und arbeitet hie und da noch dort. Das neue Saatgut sollte in erster Linie früher reif sein, standfest und gesund, sprich resistent gegen Mehltau, Schwarzrost und andere Blatt- sowie Ährenkrankheiten.

Alpetta als Hoffnungsträgerin

Weil nun solche Samen nicht einfach vom Himmel fallen, stiegen Padruot Fried und die Seinen in die Tiefen der sogenannten Genbank Graubünden hinab. Dies ist eine Saatgutsammlung aus über 100 verschiedenen Getreidesorten, welche der ehemalige Regierungsrat Huber in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts angelegt hat. Fast jedes Dorf habe damals noch eigene Samen gehabt, weiss Fried. Peer Schilperood, ein begeisterter Biologe, der für den Erhalt der alten Sorten sorgt, machte sich 2006 die Mühe, alle Sorten auszusäen und ihre Eigenschaften zu notieren. Mittlerweile werden die Samen alle 10 Jahre wieder gesät und das Saatgut geerntet, damit es frisch bleibt.

Die Züchter entschieden sich, die bestehende Sorte Quench mit derjenigen aus dem Dorf Ardez zu kreuzen. Dazu müsse man die Ähre der einen Sorte «kastrieren», heisst die männlichen Blüten entfernen, um die Weibchen dann mit den Samen der anderen Sorte bestäuben zu können, erklärt Padruot Fried. Dies sei getan worden und die so entstandene Kreuzung immer wieder gepflanzt und vermehrt und selektioniert worden. Und dieses Jahr hätten sie endlich ein grösseres Feld bei Bergün damit bepflanzen können und gesehen, dass sich die neue Sorte – «Alpetta» soll sie heissen – ausserordentlich gut mache. Nun würden sie einen Landwirt suchen, der bereit sei, das Saatgut zu vermehren, sagt Fried. Er hofft auch, dass der Plantahof dabei die Leitung übernehmen wird. Der goldenen Zukunft der hiesigen Äcker dürfte also nichts im Weg stehen und damit auch nicht der gesteigerten Produktion von Tschliner Bier, welches vollständig aus Bündner Gerste produziert ist, wie Geschäftsführer Reto Rauch sagt. Damit aus der Gerste dereinst Bier werden kann, muss diese «gemälzt» werden. Dies übernähme Gran Alpin für sie, sagt Rauch. Die Gerste kommt in eine Mälzerei in Süddeutschland, in der Schweiz gibt es nur noch zwei kleine, welche solche Mengen nicht verarbeiten könnten. Allerdings steht Gran Alpin gegenwärtig mit einer zukünftigen Schweizer Mälzerei in Kontakt, welche dereinst mal die einheimische Braugerste mälzen soll. Unter der Zugabe von Wasser und Wärme beginnt die Gerste zu «treiben», will heissen, zu keimen. Die Kunst ist es dann, diesen Vorgang im richtigen Moment zu stoppen. Das dabei gewonnene Malz schroten die Mälzer, und so gelangt es dann zurück ins Engadin und ins Bier.

Ihr Weizenbier sei ganz einheimisch, sagt Rauch, denn der Weizen wächst auf dem Klosterhof von Johannes Fallett in Müstair und gemälzt wird der Weizen in einer Mälzerei bei Genf. Rund 8 Tonnen bezögen sie aus dem Val Müstair, während die Menge der verarbeiteten Gerste etwa 25 Tonnen betrage. Die 25 Tonnen wiederum reichen für 2000 Hektoliter Bier aus Tschlin respektive Martina. Und wer weiss, vielleicht gibt es mit der neuen Sorte «Alpetta» dereinst noch mehr.

Auch den Roggenanbau forciert Gran Alpin, dies mit der alten Sorte «Cadi», welche sich vor allem für Höhenlagen eignet. Doch übersteige das Angebot momentan eher die Nachfrage, sagt Maria Egenolf. Zu Schmids Zeiten kämpften die Bauern mit diesem Getreide, das damals die eigentliche Brotfrucht war. So säten sie es grundsätzlich im Herbst, um es dann im darauf folgenden Sommer zu ernten. Allerdings gab es auch die Variante, dass sie es im Frühling gemeinsam mit Gras säten, im Sommer einen Pflegeschnitt machten und den Roggen dann im folgenden Jahr ernteten.

Aber wer weiss, vielleicht lassen sich auch für Roggen mehr Abnehmer finden, auf dass die Anteile auf den hiesigen Äckern mindestens halbe-halbe seien.

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