Noch heute stehen Bauwerke der Kriegszeiten in Lavin.
Noch heute stehen Bauwerke der Kriegszeiten in Lavin. © Hans Stäbler

Wie das Engadin befestigt wurde

Franco Furger Bis Anfang der 1990er-Jahre waren die Festungsanlagen in Lavin und Ova Spin bereit, um Angriffe mit Panzern und Infanterietruppen abzuwehren. Heute können die gut erhaltenen Verteidigungsstellungen besichtigt werden. Sie sind ein militärhistorisches Denkmal von nationaler Bedeutung.

Auf der Landkarte der Schweiz ist das Unterengadin ein exponierter Zipfel. Das Inntal gilt oder galt darum als mögliche Einfallsachse, um die Schweiz militärisch zu besetzen und zu erobern. Heute können sich wohl nur wenige vorstellen, wie Panzer und Infanterietruppen durch das Engadin rollen und marschieren. Aber im Zweiten Weltkrieg und auch später im Kalten Krieg war das ein Szenario, wofür die Schweizer Armee gewappnet war – mit gut getarnten und in die Tiefe gestaffelten Festungsanlagen und Panzersperren. 

Toblerone-Reihen aus Beton
Die erste Sperre befand sich bei Ramosch. Danach folgte eine Zone mit ungünstigem Gelände; eine Sperre im Talboden bei Scuol hätte man relativ leicht umgehen können, sei es über Ftan oder über Vulpera-Tarasp auf der anderen Talseite. Doch vor dem strategisch wichtigen Flüelapass war eine weitere und schlagkräftige Sperre essenziell. Lavin bot sich an, denn hier gab es keine leichten Ausweichrouten. Zudem bildeten das Dorf sowie die Schlucht des Lavinuoz natürliche Barrieren. Und auch die Friedhofsmauer wurde ins Panzersperrkonzept integriert, das im offenen Gelände aus zahlreichen Betonzacken (Höckerlinien) bestand. Diese grauen «Toblerone-Reihen» sind auch heute noch gut ersichtlich. Gleichzeitig baute die Schweizer Armee sechs gut getarnte Festungen in die Berghänge, um die feindlichen Truppen aus allen Richtungen beschiessen zu können – mit insgesamt zwölf Maschinengewehren sowie drei Panzerabwehr- oder Infanteriekanonen. 

«Für den Zweiten Weltkrieg war das eine hohe Feuerdichte», erklärt Hans Stäbler. Kaum ein anderer kennt die Bündner Festungen so gut wie der pensionierte Oberstufenlehrer aus Filisur. Sein Vater war Berufsmilitär und Festungswächter, was schon früh sein Interesse für Schweizer Militärgeschichte weckte. 

Im Umkreis von nur 800 Metern
Hans Stäbler teilt sein umfangreiches Fachwissen gerne mit anderen Menschen und organisiert Führungen durch verschiedene Bündner Festungen, seit vier Jahren auch durch jene in Lavin sowie in Ova Spin am Ofenpass. «In Lavin schauen wir uns das Hauptwerk an und je nach Gruppe eine Betonbunkeranlage», erklärt Stäbler und weist darauf hin, dass man relativ weite Wege laufen muss, da die Anlage in Lavin breit verteilt liegt. Wer weniger laufen will, dem empfiehlt er eine Besichtigung der Festung Ova Spin. «Hier sieht man Schützengräben aus dem Ersten Weltkrieg, Stellungen aus dem Zweiten Weltkrieg und Minenwerferstände und Schutzunterstände aus dem Kalten Krieg – 100 Jahre Befestigungsgeschichte im Umkreis von nur 800 Metern. Für mich die aussagekräftigste Sperrstelle in Graubünden, vielleicht sogar der Schweiz.»

Panzersperre Planturen östlich von Lavin. Im Hintergrund Scharte für Panzerabwehrkanone des Felsenwerks Planturen links.
Panzersperre Planturen östlich von Lavin. Im Hintergrund Scharte für Panzerabwehrkanone des Felsenwerks Planturen links. © Hans Stäbler
Betonhöcker der Panzersperre Planturen am Innufer. Im Hintergrund Lavin.
Betonhöcker der Panzersperre Planturen am Innufer. Im Hintergrund Lavin. © Hans Stäbler
Eingang ins Felsenwerk Valplan Lavin.
Eingang ins Felsenwerk Valplan Lavin. © Hans Stäbler
Eingang ins Felsenwerk Valplan Lavin.
Eingang ins Felsenwerk Valplan Lavin. © Hans Stäbler
Maschinengewehrscharte des Felsenwerks Lavin.
Maschinengewehrscharte des Felsenwerks Lavin. © Hans Stäbler
Ova Spin Strasse, Scharte für Maschinengewehr, Innenbeobachter und Panzerabwehrkanone.
Ova Spin Strasse, Scharte für Maschinengewehr, Innenbeobachter und Panzerabwehrkanone. © Hans Stäbler
Ova Spin Nord Maschinengewehrstellung als Felskopf getarnt.
Ova Spin Nord Maschinengewehrstellung als Felskopf getarnt. © Hans Stäbler
Ova Spin Nord Maschinengewehrstellung als Felskopf getarnt.
Ova Spin Nord Maschinengewehrstellung als Felskopf getarnt. © Hans Stäbler
Schützengraben aus dem Ersten Weltkrieg in Ova Spin.
Schützengraben aus dem Ersten Weltkrieg in Ova Spin. © Hans Stäbler
Festungsführungen mit Hans Stäbler

Die Führungen durch die Festungsanlagen finden im Juli und August sowie im Oktober 2024 statt, jeweils am Freitagvormittag alternierend in Ova Spin und Lavin. Nach der Besichtigung vor Ort findet eine reich bebilderte Präsentation im Gemeindesaal von Lavin oder an einem speziell versteckten Ort in Ova Spin statt. Preis mit Gästekarte: Erwachsene CHF 40.00, Kinder CHF 30.00, Familien CHF 80.00. Info und Anmeldung bei der Gäste-Information Zernez: zernez@engadin.com, 081 856 13 00. 

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