Wir haben noch mehr Platz auf dem Berg

Jürg Wirth Andri Lansel ist seit 12 Jahren Verwaltungsratspräsident der Bergbahnen Scuol. Mit dem Bau des neuen Berggebäudes auf der Motta steht ihm ein Höhepunkt seiner Laufbahn bevor. Dem ALLEGRA erklärt er, was wichtig war für das Projekt, wie man Bergbahnen erfolgreich führt oder weshalb noch mehr Platz auf dem Berg ist.

Der Neubau der Bergstation Motta Naluns war und ist ein grosses Ziel von Ihnen, sind Sie zufrieden?

Ja, ich bin sehr zufrieden, dass wir eine gute Lösung gefunden haben und alles auf ein Geschoss konzentrieren konnten. So brauchen wir neu nur noch eine Küche und nicht mehr zwei wie bisher.

Zudem bekommen wir mit dem neuen Gebäude auch eine energetisch gute Lösung. Den Revisions- und Werkstattteil für die Maschinen können wir nun genügend gross halten, sodass wir unser ganzes Material, heisst alle Schneekanonen und Pistenfahrzeuge, unterstellen können und auch Platz für die Revision haben.

Weshalb ein Neubau, wäre eine Renovation nicht möglich gewesen?

Tatsächlich haben wir die Varianten «Pinselrenovation» und «umfassende Renovation» geprüft. Dabei zeigte sich, dass die Variante «umfassende Renovation» nur unwesentlich günstiger gekommen wäre als die neue Lösung. Ein altes Gebäude hätten wir danach aber immer noch gehabt.

Bei der Pinselrenovation wäre die ganze Technik nicht dabei gewesen. Energietechnisch wäre das Gebäude also kaum verbessert worden.

Was waren die wichtigsten Kriterien?

Die Gebäudetechnik hat das Ende der Lebensdauer erreicht, deshalb brauchte es eine neue, die auf dem aktuellsten Stand ist. Zudem hatten wir kaum mehr Platz, um alle Maschinen einzustellen und sie richtig zu warten.

Die Abläufe im Restaurant waren ineffizient und nicht mehr zeitgemäss, die Präsentation des Essens liess auch zu wünschen übrig. Da wollten wir uns ebenfalls verbessern. Angesichts des Personalmangels in der Gastronomie ist es auch gut, wenn wir uns auf eine Brigade reduzieren können.

Wie erreichen Sie das?

Wir betreiben nach wie vor ein Restaurant mit Selfservice und eines, in dem serviert wird. Die Küche ist aber für beide dieselbe. Ziel ist es, dass der Selfservice rechtzeitig vorbereitet wird und ein Teil des Teams nachher noch das À-la-Carte-Restaurant übernehmen kann. Der Schwerpunkt liegt bei uns eindeutig auf dem Selfservice, den wollen wir in höchster Qualität anbieten. «Stüblis» oder Gourmetlokale zu planen, macht in unserem Gebäude keinen Sinn. Dafür haben wir auf dem Berg andere Betriebe.

Für die Planung des ganzen Gastroteils zogen wir Gastroplaner bei, erst einen aus Österreich, dann noch einen aus der Schweiz.

Weshalb erteilten Sie einen Direktauftrag und veranstalteten keinen Architekturwettbewerb?

Im Laufe der letzten zehn Jahre haben wir mit sechs verschiedenen Architekturbüros zusammengearbeitet und Ideen ausgetauscht und aufgenommen. Von Anfang an war auch klar, dass wir keine Tirolerhütte wollten. Als wir dann den Muottas Muragl anschauten, den ebenfalls die Fanzun Architekten entworfen haben, wussten wir, dass wir etwas in der Art wollten. Auch weil dieser Bau wegen des tiefen Energieverbrauchs prämiert worden ist. Allerdings spielt, wie gesagt, der Selfservice bei uns eine grössere Rolle als auf dem Muottas Muragl.

Heute sind wir froh darüber, dass wir mit Fanzun ein grosses Büro beauftragt haben, weil die kleineren in der Region stark ausgebucht sind.

Wie wichtig ist die Architektur, sie kann ja durchaus auch der Profilierung dienen?

Es gibt sicher gute Architektur, das wäre auch schön, nur können wir uns nicht alles leisten. Aber der Entwurf für unser Berggebäude ist sympathisch, dazu trägt auch bei, dass viel mit Holz gebaut wird.

Zudem haben wir dann einen Raum für 300 bis 400 Personen, den es in der Region Scuol so gar nicht mehr gibt. Wir sind also nachher auch in der Lage, grössere Veranstaltungen durchzuführen, was durchaus eine Chance ist. Seien das grosse Versammlungen oder auch Hochzeiten im grösseren Stil.

Wie ist nun das weitere Vorgehen, wann ist die Einweihung?

Im Herbst 2022 wollen wir die Baubewilligung einreichen, dann hoffen wir auf die Bewilligung bis im Frühling 2023. Im Sommer 2023 beginnen wir mit den Vorarbeiten in der Umgebung und dem vergrösserten quadratischen, betonierten Grundriss. Allenfalls können wir dann auch schon mit der Baustelleneinrichtung anfangen. Im Frühling 2024 reissen wir das bestehende Gebäude auf Höhe der Gondelbahnen ab und, wenn alles gut läuft, feiern wir im Winter 2024 die Eröffnung.

Die Bergbahnen Scuol sind erstaunlich solide und wirtschaftlich unterwegs. Ist das so, weil der VR-Präsident Treuhänder und Buchhalter ist?

Nein. Selbstverständlich bringe ich Finanzkompetenz mit, dazu aber auch eine grosse Sensibilität für das Bedürfnis der Gäste vor Ort. Dies sicher auch, weil ich selber Gast bin…

Dazu kommt, dass wir bisher nur ausgegeben haben, was wir uns auch leisten konnten. Weil wir letztes Jahr die neuen Gondelbahnen mit 22 Millionen vollständig abbezahlt haben, entschlossen wir uns nun zu diesem neuen, grossen Schritt. Klar liegt auch das Projekt «Sessellift Champatsch» noch in unserer Schublade, aber mehr Gäste würde das auch nicht bringen.

Grundsätzlich achten wir darauf, dass wir erst investieren, wenn wir das nötige Geld aufgetrieben haben. Deshalb mussten wir auch Projekte zurückstellen, die wir gerne umgesetzt hätten. So schiessen wir die Lawinen noch konventionell, bis wir eine neue Anlage installiert haben.

Wie sieht es aus mit der Skigebietsverbindung nach Samnaun?

Solange im Tal keine zusätzlichen Betten zur Verfügung stehen, ist das Skigebiet gross genug.

Gibt es Anfragen von anderen Betrieben, vielleicht für eine Beratung?

Das nicht gerade, aber letzten Winter durften wir das Bergbahnsymposium durchführen, welches mit der Tiroler Handelskammer und dem Kanton Graubünden ausgetragen wird. Da waren alle Direktoren der umliegenden Bahnen hier, und alle waren happy über unseren Betrieb und erstaunt über die modernen Anlagen und die Pistenführung. Da haben wir viel Lob bekommen, das macht einen schon etwas stolz.

Von daher gesehen haben wir unsere Hausaufgaben gemacht. Nun wäre es wünschenswert, wenn im Tal noch ein gutes Sporthotel im Drei- bis Vier-Sterne-Bereich entstehen würde. Denn wir hätten noch mehr Platz auf dem Berg. Gemäss einer Studie von Grischa Consulting könnten noch 1000 Leute mehr pro Tag kommen.

Als Treuhänder sind Sie zuständig für viele Betriebe in und um Scuol. Wie steht es um die Tourismusbranche, wie um die Hotellerie?

Die Betriebe sind grundsätzlich gesund, und das Gewerbe hat sehr, sehr viel Arbeit. In der Hotellerie gibt es gewisse Betriebe mit Nachholbedarf. Aufgrund der sehr erfolgreichen letzten beiden Jahre könnten diese nun auch investieren und ihre Unternehmen wieder auf Vordermann bringen.

Dazu kommt, wie bereits erwähnt, das Thema der zusätzlichen Übernachtungen. Ich will den Berg nicht inszenieren, das wäre nicht ich, aber für trendige Übernachtungsmöglichkeiten für Junge wäre sicherlich eine Nachfrage vorhanden.

Die Bergbahnen besitzen noch das Gelände des ehemaligen Hotels Engadinerhof am Dorfeingang von Scuol. Dort könnte ja ein solches Hotel entstehen oder doch eher Wohnungen für Einheimische?

Das Grundstück ist aufgeteilt in zwei Parzellen, und auf der einen muss ein Hotel gebaut werden. Auf der anderen können auch Wohnungen entstehen, die im Zusammenhang mit dem Hotel stehen, also zum Beispiel auch Mitarbeiterwohnungen.

Das Hotel entsteht nur, wenn ein «lässiges» Projekt die Baubewilligung erhält. Dann findet man auch Investoren und Betreiber.

Wie ist denn der Stand beim «lässigen» Projekt?

Ob es dann lässig wird, kann ich nicht sagen, wichtig ist, dass es finanzierbar ist. Doch wir sind konkret daran, ein Projekt zu entwickeln und dem Vernehmen nach soll von Investorenseite Interesse vorhanden sein. Denn bis vor fünf Jahren flossen die Investitionen vor allem in die grossen Städte, nun werden auch die Berggebiete wieder interessanter.

Mit der neuen Bergstation geht für Sie ein Wunsch in Erfüllung. Wie geht es dann mit Ihrer Karriere als Verwaltungsratspräsident der Bergbahnen weiter?

Solange ich das Vertrauen der grösseren und kleineren Aktionäre spüre, mache ich gerne weiter. Mir gefällt meine Funktion im Spannungsfeld zwischen Sport und Finanzen, entsprechend engagiere ich mich auch stark für diese Aufgabe.

Wenn dann aber das neue Berghaus fertig und eingeweiht ist, kommt sicherlich die Zeit, um Jüngere nachzuziehen.

Andri Lansel ist verheiratet, hat einen Sohn und wohnt in Sent. Er ist Verwaltungsrat und Mitglied der Geschäftsleitung bei Lischana Fiduziari in Scuol und seit 12 Jahren Verwaltungsratspräsident der Bergbahnen Scuol. Daneben ist er auch beim SAC Unterengadin engagiert.

Andri Lansel, Verwaltungsratspräsident der Bergbahnen Scuol, freut sich auf die neue Bergstation.
Andri Lansel, Verwaltungsratspräsident der Bergbahnen Scuol, freut sich auf die neue Bergstation. © zvg

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