Drei Viertel des Ambulanzteams Zernez: Rico Zala, Arno Tragust und Manuela Bott. Es fehlt Urs Luzi.
Drei Viertel des Ambulanzteams Zernez: Rico Zala, Arno Tragust und Manuela Bott. Es fehlt Urs Luzi. © Jürg Wirth

Das Ambulanzteam aus Zernez

Jürg Wirth Dass das Spital Scuol auch ein Ambulanzfahrzeug unterhält, liegt auf der Hand und ist bekannt. Weniger bekannt ist aber, dass auch in Zernez ein Ambulanzfahrzeug stationiert ist. Ein Viererteam betreibt dieses und rückt jährlich rund hundertmal aus.

Am schlimmsten sei es bei Kindern oder Leuten, die man kenne, sagen die drei vom Ambulanzteam. Und kennen tun sie viele, vor allem die Leute aus Zernez. Denn die vier (einer konnte nicht zum Gespräch kommen) wohnen selber in Zernez. Dies ist praktisch Voraussetzung für den Ambulanzjob, denn nach Eingang des Alarms muss das Auto innert fünf Minuten abfahren. Die vier vom Team heissen Manuela Bott, Rico Zala, Arno Tragust und Urs Luzi. Arno ist dabei der dienstälteste und schon seit 28 Jahren dabei. Er ist direkt bei Dumeng Schorta eingestiegen. Schortas Vater hat den Ambulanzdienst in Zernez mit einem eigenen Fahrzeug aufgebaut. Dumeng konzentrierte sich dann auf Strassenrettung und Krankentransporte, oft zusammen mit Doktor Ganzoni. Kurz nach Arno Tragust sind dann auch die anderen eingestiegen. Das lief damals über den Samariterverein, welcher nach Dumeng Schortas Pensionierung den Ambulanzdienst übernommen hat.

Das ganze Jahr Piket

Damals umfasste das Team noch sieben Leute, heute eben noch deren vier. Bei der Ambulanz sind sie, weil «es Freude macht, den Leuten zu helfen», sagt Manuela; «wir nicht wissen, was wir mit unserer Freizeit anfangen sollen», meint Rico scherzhaft; und Arno betont die Freude am Arbeiten mit Leuten. Natürlich werden sie auch für ihre Arbeit bezahlt, doch das Geld ist für niemanden der Hauptgrund. Und der persönliche Einsatz ist durchaus hoch. Schliesslich teilen sich die vier den Dienst fürs ganze Jahr auf. Immer zwei miteinander haben Pikett. Ein gemeinsamer Betriebsausflug liegt da also nicht drin, oder? Doch, doch, antworten sie unisono. Wenn sie mit den Samaritern mal einen Ausflug machten, würden sie das vorher im Spital Scuol anmelden, dann übernähmen diese.

Dass die Ambulanz aber grundsätzlich von Zernez aus losfährt, hängt damit zusammen, dass die Rettung so schneller an der Unfallstelle oder bei den Patient*innen ist. Die Grenzen ihres Perimeters sind Buffalora auf der Ofenpassstrasse, das Flüela-Hospiz, der Autoverlad Vereina und die Punt ota bei Brail. Da liegt es auf der Hand, dass sie schneller dort sind, als wenn die Ambulanz in Scuol starten würde. Übertreiben mit dem Schnellfahren dürfen sie es aber trotzdem nicht, wie Arno Tragust erklärt. «Auch mit Blaulicht und Martinshorn haben wir grundsätzlich nicht mehr Rechte im Verkehr als die anderen Teilnehmenden.» Trotzdem spürten sie bei den Automobilist*innen oft Verunsicherung, wenn sie sich ihnen nähern würden. «Oft erschrecken die anderen, bremsen ab und wollen uns vorbeilassen, manchmal auch gerade vor unübersichtlichen Kurven.» Deshalb empfiehlt das Team, an übersichtlichen Stellen etwas an den Rand zu fahren und die Ambulanz überholen zu lassen. 

Die Beherrschung des Fahrzeugs steht dabei selbstverständlich an oberster Stelle. Dazu gibt es eine Prüfung und dann Wiederholungskurse. 

Das erste Ambulanzfahrzeug in Zernez.
Das erste Ambulanzfahrzeug in Zernez. © zvg

Als Erste am Unfallort

Für die medizinische Seite gibt es erst einen zehntägigen Kurs und dann jährlich eine obligatorische zweitägige Weiterbildung. Manuela Bott hat die Ausbildung als Transportsanitäterin und darf einen Zugang für die Blutentnahme legen, eine Infusion anbringen und einiges mehr.

Selbstredend sind die medizinischen Kenntnisse sehr wichtig. Denn oft ist das Ambulanzteam zuerst am Unfallort und muss rasch entscheiden, was zu tun ist. Zwar werde mit dem Alarm immer noch eine erste Diagnose mitgeliefert, doch treffe diese selten genau zu, bemerken die drei. 

Sind die Verletzungen von Betroffenen lebensbedrohlich, braucht es unbedingt Ärzt*innen oder direkt die Rega. Leichtere Fälle übernehmen sie selber, Patienten-Überführungen von einem Ort zum anderen sowieso. 

Sie werden denn auch nicht «nur» bei Verkehrsunfällen gerufen, sondern auch bei Notfällen zu Hause oder ab und an für eine Einlieferung in eine psychiatrische Klinik. Im Sommer aber hätten Verkehrsunfälle Hochkonjunktur, vor allem solche mit Töfffahrer*innen. Dabei seien diese nicht immer selbst schuld, oft würden sie auch von den Automobilist*innen übersehen. 

Nebst den fahrerischen und den medizinischen Fähigkeiten brauche es auch eine gute Kondition, sagt Manuela Bott. Denn gerade bei Unfällen auf der Passstrasse würden die Verletzten oft nicht auf der Strasse, sondern irgendwo unterhalb am Hang liegen, was die Versorgung und Bergung nicht einfach mache. 

Schwere Fälle verarbeiten sie im Team, indem sie darüber reden.
Schwere Fälle verarbeiten sie im Team, indem sie darüber reden. © Jürg Wirth

Verarbeitung im Team

Mentale Stärke und seelische Ausgeglichenheit gehören ebenfalls zu den Voraussetzungen für diesen Job. Das scheinen alle mitzubringen. Verarbeiten würden sie die Einsätze im Gespräch mit der Familie und natürlich auch innerhalb des Teams. Erst wenn jemand nicht schlafen könne, würden sie professionelle Hilfe beiziehen. Das käme aber sehr selten vor. 

Was dafür ziemlich oft vorkommt und die vier vom Team auch sehr freut, sind positive Reaktionen nach einer erfolgreichen Rettung. Deshalb denken sie dann schlussendlich lieber an diese, die schönen Seiten ihrer Tätigkeit, als an die schlimmen, welche ihnen besonders nahe gehen.

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