Seit zwei Jahren wird im Val Müstair wieder Flachs angebaut und dieses Jahr findet die erste Brächete statt.
Seit zwei Jahren wird im Val Müstair wieder Flachs angebaut und dieses Jahr findet die erste Brächete statt. © Anna-Barbara Utelli

Flachsanbau und -brächete im Val Müstair

Jürg Wirth Der Flachsanbau hat eine lange Tradition im Val Müstair. Nun soll diese wiederbelebt werden.

Sie sind beliebte Requisiten in Heimatmuseen oder stehen ab und an noch in alten Häusern rum, die Flachsbrecher. Es gibt sie entweder mit Eckbank oder pur, will heissen, bestehend aus einem Bock mit schmalen, aufgestellten Holzleisten und dem Schlagteil, ebenfalls mit Holzleisten als Gegenstück. Ohne Flachs dazwischen kann man damit einen schönen Lärm erzeugen, mit Flachs dazwischen ist es immer noch laut, aber nicht mehr so sehr. Überzeugen davon kann man sich an der ersten Flachsbrächete im Val Müstair am 14. Oktober.

Denn dort erlebt der Flachs gerade ein Revival. Bis vor rund 100 Jahren gehörten die Flachsfelder zum Bild des Tales. Dass diese ein besonders schönes Bild abgaben, liegt daran, dass Flachs in feinen, blauen Blüten blüht. Die Frauen des Tals brachen dann die Fasern und verarbeiteten sie in aufwendigen Arbeitsschritten weiter bis zum Leinengarn, aus dem sie dann Küchentücher, Hemden oder Bettwäsche woben. Weil aber die Verarbeitung derart aufwendig war und gleichzeitig anderes Garn das Leinene vom Markt verdrängte, verschwanden die Felder aus dem Val Müstair. Bis 2021 der Naturpark Biosfera Val Müstair und die Handweberei Tessanda das Projekt «Flachs – Wiederanbau im Val Müstair» initiierten.

Flachsernte war in erster Linie Frauenarbeit.
Flachsernte war in erster Linie Frauenarbeit. © Tessanda Val Müstair

Mehr Flachsfläche

2022 erfolgte die erste Aussaat auf dem Feld der beiden Junglandwirt*innen Janic Andrin Spinnler und Maisha Joss. 2023 ist mit Jachen Armon Pitsch ein zweiter Bauer dazugestossen. Inzwischen werden drei Aren Flachs im Val Müstair angebaut. Zwei Aren bewirtschaften die beiden Landwirtschaftsbetriebe. Eine Are wird von Privaten in ihren Gärten angepflanzt.

Der Flachs gedieh prächtig und betörte Beobachter*innen im Juli mit den ersten zarten, blauen Blüten, die jeweils nur am Morgen zu sehen sind. 

Gegen Ende August wurden die Pflanzen in Handarbeit samt der Wurzel aus dem Boden gezogen, für die Tauröste auf dem Feld ausgebreitet und später zu kleinen Garben zusammengebunden und getrocknet. So sind sie bereit für den grossen Auftritt, den sie an der Flachsbrächete bei der Tessanda in Sta. Maria hinlegen.

Dort werden die Stängel auf den restaurierten Gerätschaften aus dem Fundus des Klosters Müstair geriffelt, gebrochen, gehechelt und anschliessend am selben Ort zu feinem Garn gesponnen, welches die Weberinnen anschliessend zu hochwertigen Stoffen verweben.

So kommen die Brecher also endlich wieder einmal zum Einsatz und müssen nicht länger in Ortsmuseen oder staubigen Kellern herumstehen.

val-muestair.ch/flachs-braechete

Einblick in die Flachsernte anno dazumal.
Einblick in die Flachsernte anno dazumal. © Tessanda Val Müstair

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