Flamenco schafft einen engen Bezug zum Leben

Jürg Wirth Bruno Foroni bietet jedes Jahr einen Flamenco-Kurs im Unterengadin an. Wie es dazu kam und woher seine Faszination für diesen spanischen Tanz rührt, sagt er im Interview.

Wie kommt der Flamenco ins Engadin?

Seit einigen Jahren führe ich in meinem Wohnort Madrid einen Intensiv-Flamenco-Kurs durch für Tänzer*innen aus der Schweiz. Aufgrund der eingeschränkten Reisemöglichkeit während der Covid-Zeit entstand bei einem Besuch im Engadin die Idee, einen solchen Kurs bei Juliane Köhler in Ftan durchzuführen.

Und wie gut passt Flamenco ins Engadin?

Der Flamenco passt an alle Orte der Welt, wo die Menschen Freude am Tanzen haben. Das Engadin mit seiner fantastischen Landschaft bietet eine ideale Kulisse, um einerseits intensiv zu arbeiten (z. B. im Fortgeschrittenen-Kurs) bei hoher Konzentration und sich dann später in der Natur zu entspannen. Für die Einheimischen aus dem Engadin bietet der Flamenco vielleicht einen Kontrast zu den hier bekannten kulturellen Angeboten und damit die Möglichkeit, in die spannende und faszinierende Welt des Flamenco einzutauchen und Neues zu erlernen.

Wie kommen Sie zum Flamenco?

In meiner Schulzeit in Würenlos hatte ich den ersten Kontakt mit der Bühnenkunst und einem Schauspieler/Regisseur. Damals eröffnete sich mir eine neue Welt und ich begann, Kurse zu besuchen im Theater, Ballett, Modern Dance, Stepptanz... Bis ich dann eigentlich per Zufall im Kino durch den Film «In 80 Tagen um die Welt» auf den Flamenco gestossen bin.

Wie beschwerlich war der Weg dorthin?

Einfach war der Weg nicht. Doch es war mir von Beginn weg bewusst, dass in künstlerischen Berufen der Wind in den Segeln nicht immer leichte Fahrt verspricht, sondern Turbulenzen an der Tagesordnung sind, die es anzupacken gilt. Es gehört sozusagen zum Training des Künstlers.

Welche Ausbildungen mussten Sie absolvieren?

Ich hatte das grosse Glück, dass ich mir bei Susana und Antonio Robledo noch in der Schweiz eine super Basis-Ausbildung erarbeiten konnte, um mich dann daraufhin in Madrid in den verschiedenen spanischen Tanzdisziplinen ausbilden zu lassen.

Schliesslich sind Sie von Würenlos nach Madrid gezogen. War es schwierig, dort Fuss zu fassen?

Vom Tanzen her war es für mich von Beginn weg wie im Paradies, aber auch eine sehr harte körperliche Herausforderungen bei den täglichen Disziplinen des Flamenco, Folklore, Escuela Bolera und dem klassischen spanischen Tanz. Ich lernte enorm viel und konnte mich in den verschiedenen Tanzstilen perfektionieren. Der Schritt war natürlich ein grosser von dem damals 3000-Seelen-Dorf Würenlos in die 2,5 Mio. Metropole Madrid. Viel Stein und wenig Grün, aber auch ein grosser kultureller Reichtum und für mich der Ort, um den spanischen Tanz in seiner Vielfalt von der Pike auf zu erlernen.

Sie sind seit mehr als 35 Jahren Profitänzer. Wie sieht Ihr Alltag aus, wo haben Sie welche Auftritte und wie schwierig ist es, davon zu leben?

Tägliches Training ist Voraussetzung. Es gehört aber auch der Ausgleich dazu mit Ruhepausen für den Körper und sich mit anderen Themen zu beschäftigen, welche das Leben bereichern. Das ist ganz wichtig. Monatelange Tourneen durch die ganze Welt mache ich nicht mehr, leider gibt es solche auch gar nicht mehr. Zurzeit studiere ich mit meiner Tanzpartnerin Natalia Ferrandiz ein neues Stück ein, inspiriert vom spanischen Poeten Miguel Hernandez. Im Oktober werden wir Premiere haben im Teatro de Canal in Madrid. Klar, einen Ferrari kann ich mir nicht kaufen, ebenso keine Ferien in der Karibik leisten, aber ich darf dieses Tänzerleben mit all seinen Facetten durchleben und der Tanz, ob als Choreograph, Dozent oder Tänzer, ist auch heute noch meine allergrösste Passion.

Was macht für Sie die Faszination des Flamenco aus?

Der Flamenco hat seinen Ursprung nicht in der Bühnenkunst, sondern hat sich im Laufe der Zeit dazu entwickelt. Seine archaische folkloristische Herkunft schafft einen engen Bezug zum Leben mit seinem Leiden, der Tragik, aber auch fest mit der Lebensfreude und dem Humor. Die Menschen haben damit im vertrauten Kreis in der Familie und im Dorf aus dem Leben gesungen und sich ausgedrückt. Mich fasziniert dieses Archaische und was sich daraus entwickelt hat. Was viele nicht wissen: Der Flamenco hat seinen Ursprung im Gesang und nicht im Tanz oder in der Gitarrenmusik.

Flamenco ist ein traditioneller Tanz, verändert der sich auch?

Wie ich schon erwähnt habe, hat sich der Flamenco als Ganzes stets entwickelt. Ohne eben den akademischen Hintergrund sind bedeutend mehr Freiheiten da in dieser Tanzkunst. Dennoch gibt es natürlich innerhalb des Flamenco klare Regeln, die eingehalten werden müssen.

Sie sind jetzt nicht mehr 20, wie sehen Sie Ihre Zukunft im Flamenco?

Im Gegensatz zum klassischen Ballett oder dem zeitgenössischen Tanz, bei welchem der körperliche/muskulöse Einsatz viel grösser ist, lässt der Flamenco in dieser Hinsicht Gnade walten. Sicherlich tanzt man mit 50 nicht mehr wie mit 20. Aber mit Freude und diszipliniertem Training tanzt man auch im fortgeschrittenen Alter. Die Bühnenpräsenz ist eine andere, aber vielleicht ist gerade das im reiferen Alter spannend und zeigt die Vielfalt dieser archaisch begründeten Tanzkunst.

Werden Sie in Spanien alt werden oder doch lieber in Würenlos?

Mein Zuhause ist Madrid. Ich bin gerne in der Schweiz, freue mich immer darauf, Familie und Freunde zu sehen und geniesse die saftigen Wiesen und grünen Wälder. Nach einigen Wochen zieht es mich aber auch wieder in meine südliche Heimat.

Weshalb sollte man den Flamenco-Kurs besuchen?

Sicherlich dann, wenn man Freude und Spass am Tanzen hat! Zudem ist der Flamenco eine hervorragende Disziplin, um schon mit einfachen Übungen und Variationen den Körper, die Hände und die Arme neu zu erleben und gleichzeitig an seiner Körperhaltung zu arbeiten. Das rhythmische Stampfen sowie die koordinativen Übungen sind ebenfalls eine bereichernde Abwechslung zu unseren Alltagsbewegungsabläufen.

Flamenco-Kurs in Ftan

Der Kurs findet statt in der Turnhalle in Ftan (Bühne) vom 18. bis 21. Mai 2023.

Anfänger*innen von 18.30 – 20.00 Uhr / Fortgeschrittene von 10.00 – 14.00 Uhr

Bruno Foroni stammt aus Würenlos, lebt aber schon lange in Madrid und ist professioneller Flamencotänzer.
Bruno Foroni stammt aus Würenlos, lebt aber schon lange in Madrid und ist professioneller Flamencotänzer. © zvg

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