Matthias Zwyssig kommt gerade aus dem Crossfit, denn dorthin geht er regelmässig, zwei- bis dreimal die Woche. Dies nicht, weil er an seinem Sommerschwimmbadkörper arbeitet – okay, ein klein wenig vielleicht auch deswegen. Vor allem aber arbeitet Zwyssig an seiner Form und Kondition, um im Demoteam Samnaun mitfahren und mit ihm mithalten zu können. Speziell dabei ist, dass Zwyssig gar nicht in Samnaun lebt, sondern im Toggenburg wohnt, wo er ein Metallbauunternehmen führt.
Zu Hause ist er aber durchaus in Samnaun, fühlt sich auch so – und das schon lange. In der Wintersaison 2008 arbeitete er im Dorf mit Schneesicherheit zum ersten Mal als Skilehrer bei der Hangl AG und ist seither immer wieder zurückgekommen. Im Demoteam fährt er seit 2013 mit.
Um dort mitmachen zu können, brauche es skifahrerische Klasse und ein klein wenig auch das Renn-Gen respektive die Lust auf Adrenalin, wie Zwyssig erklärt. Er selbst und heute rund die Hälfte des aktuellen Teams fuhren früher Skirennen und tauchen bei den Demo-Wettkämpfen wieder voll und ganz ins Kompetitive ein. Denn so schön die Darbietungen aussehen, so viel harte Arbeit und minutiöses Training stecken dahinter. Nebst dem Renn-Gen sollten Demoteam-Fahrer*innen – das Team Samnaun tritt in der Mixed-Klasse mit zwei Frauen an – über einen ausgezeichneten Kurzschwung verfügen. Regelmässig in jedem Gelände soll der sein, sagt Zwyssig, sowohl im steilen wie auch – fast noch schwieriger – im flachen.
Menschliche Klasse gefragt
Nebst der skifahrerischen Klasse ist die menschliche unabdingbar, wenn nicht fast noch wichtiger. Fahren im Demoteam sei ein ausgeprägter Teamsport, weiss Zwyssig aus seiner langen Erfahrung. Blind müsse man sich auf die anderen verlassen können. Und blind ist hier durchaus wörtlich gemeint, wie er ausführt. Würden die vorderen zwei oder drei Fahrer*innen der acht, aus denen ein Team besteht, noch alles sehen, so führen die hinteren gewisse Passagen praktisch blind, weil zu viel Schneestaub die Sicht verneble. Tatsächlich gibt es im Team denn auch eine Mannschaftsaufstellung, je nach Stärken und Vorlieben der Mitglieder. Zuvorderst auf den ersten beiden Positionen führen diejenigen mit dem sichersten und schönsten Schwung, während die Positionen sieben und acht von den Mutigsten besetzt würden, weil eben schlechte Sicht. Sieben und acht würden quasi oft nach Gefühl und auf Vertrauen fahren, fügt Zwyssig noch an. Wohl kämen bei ihnen auch immer mal wieder neue Mitglieder hinzu, das Gerüst bliebe aber gleich und sei eine eingeschworene Truppe aus guten Freund*innen. Fabian Tschenett aus Müstair beispielsweise, oftmals die Nummer 1, habe mit ihm 2008 in der Skischule begonnen und sei bei der Hochzeit letztes Jahr sein Trauzeuge gewesen. Genau, Zwyssig ist verheiratet und werdender Vater. Und seine Frau kommt auch immer mit, wenn er nach Samnaun geht – muss sie fast, weil sie ebenfalls gerne Ski fährt und weil Zwyssig oft nach Samnaun geht.
Brennen auf den ersten Schnee
Nach dem «Sommerschlaf», wie die für die Teammitglieder langweiligere Jahreszeit heisst, würden alle auf den ersten Schnee brennen und sich bei dessen Eintreffen alsgleich auf den Weg nach Samnaun machen. Dabei frönen sie nicht nur dem freien Pistenfahren, sondern trainieren intensiv im Team. Sonntag von 9.00 bis 12.00 Uhr und am Samstagabend am Musella-Lift. Tatsächlich zahlt sich das Training aus. Als sie 2013 zum ersten Mal an einem Contest gestartet seien, habe es nur für den 45. Rang gereicht, erinnert sich Zwyssig. An den diesjährigen Bündner Meisterschaften klassierten sie sich hingegen auf Rang 6, und dies, nachdem sie nach dem ersten Durchgang gar geführt hatten. Denn ein Wettkampf besteht aus zwei Durchgängen respektive Teilen. Der erste Teil ist Pflicht und der zweite Kür. Heisst, beim ersten Teil ist vorgeschrieben, was zu fahren ist. Die Kür legt das Team selber fest und integriert dabei Figuren wie «Diamant», «Viereck» oder «Crash». «Crash» ist diejenige, bei der das Team intern kreuzt, aber eigentlich nie crasht. Es sei zwar schon vorgekommen, passiere aber äusserst selten, sagt Zwyssig. Eben weil grosses Vertrauen und Können am Start ist.
Apropos Start: An den Schweizer Meisterschaften war das Team ebenfalls am Start und fuhr auf den 30. Rang, weil sie einen Sturz zu verzeichnen hatten. Dies, nachdem letztes Jahr Toggenburg gewann und dieses Jahr wieder, was Zwyssig nur ein ganz klein wenig fuchste.
Saisonhöhepunkt aber sind die Europameisterschaften vom 20. bis 23. April in Samnaun. Dort erhofft sich das Team um Zwyssig, der mittlerweile vor allem als Coach amtet, einen Platz auf dem Podest. Eine berechtigte Hoffnung, so wurde das Demoteam Samnaun im Vorjahr doch bereits Vize-Europameister im Formationsfahren – notabene hinter den Rookies aus Davos. Wie oft diese ins Crossfit gehen, ist nicht bekannt.