Die neuste Hirschforschung in der Nationalparkregion basiert auf sogenannten Raum-Zeit-Daten. Uns interessiert, wann sich die Hirsche wo aufhalten und weshalb. Um dies herauszufinden, statten Wildhüter und Parkwächter Hirsche mit Halsbändern aus. Moderne Halsbänder verfügen über GPS-Module, die mit Hilfe von Navigationssatelliten die Standorte der Hirsche aufzeichnen und diese dann über Kommunikationssatelliten direkt an den PC im Büro übermitteln.
Wald und Wiesen aus dem All
Satelliten können nicht nur die Positionen von Hirschen bestimmen und übertragen, sondern auch detaillierte Informationen über deren Aufenthaltsorte liefern. Ausgestattet mit Spezialkameras, die das menschliche Sehvermögen übertreffen, messen Satelliten das von Pflanzen reflektierte Sonnenlicht. Die so gemessene Lichtreflextion einer Pflanze ist wie ein Fingerabdruck, der ihre chemischen und strukturellen Eigenschaften widerspiegelt. Auf diese Weise lassen sich die Ausbreitung und die Dichte des Waldes sowie der Stickstoffgehalt von Pflanzen auf Wiesen und Weiden beziffern. Diese so wichtigen Daten für die Entschlüsselung des Hirschverhaltens liefern Satelliten der europäischen Weltraumorganisation ESA für jeden beliebigen Ausschnitt aus der Landschaft mit einer Fläche von 20 m x 20 m.
Der schützende Wald
Hirsche sind scheu und weichen dem Menschen nach Möglichkeit aus. Wenn wir ihnen begegnen, laufen sie meistens weg und suchen zur Deckung den Wald auf. Um diesem Verhalten auf den Grund zu gehen, haben wir die GPS-Positionen der Hirsche in der Landschaft mit den satellitengestützten Walddaten kombiniert. Aus dieser Kombination lassen sich Präferenzen herauslesen. Die Hirsche in der Nationalparkregion bevorzugen tagsüber grundsätzlich dichtere Wälder. Einzig im Schweizerischen Nationalpark spielt für sie die Walddichte im Juli auch am Tag keine Rolle. Hier fühlen sie sich sicher, da ihnen mindestens bisher wenig bis keine Gefahr droht. In der Nacht hingegen bevorzugen die Hirsche überall lichtere Wälder und das Offenland. In der vom Menschen geprägten Kulturlandschaft getrauen sie sich also im Schutze der Dunkelheit auch, auf den Wiesen und Weiden zu fressen.
Hirsche fressen gerne gut
Hirsche bauen während der Vegetationsperiode Fettreserven auf, von denen sie im Winter zehren. Deshalb benötigen sie eine entsprechende Nahrung. Doch wo finden sie diese? Auch hier helfen uns Satelliten. Wir setzen satellitenbasierte Karten ein, die den Stickstoffgehalt von Pflanzen zeigen. Denn stickstoffreiche Vegetation kann mit qualitativ hochwertiger Nahrung gleichgesetzt werden. Erste Ergebnisse zeigen, dass Hirsche im Offenland genau dieselben Orte, welche eine hohe Nahrungsqualität bieten, konsequent aufsuchen. Dies beweist, dass Hirsche wahre Feinschmecker sind.
Weitere Fragen
Die Raum-Zeit-Daten der Hirsche sind ein Schatz, denn sie lassen sich mit beliebigen anderen räumlichen Daten kombinieren. Derzeit analysieren wir beispielsweise auch den Einfluss der Jagdschutzgebiete auf die Hirsche.
Wir sind gespannt auf die Enthüllung weiterer Geheimnisse dieser spannenden Tierart und ihrer vielfältigen Verhaltensmuster.