Die Florinuskirche Innen mit der Inschrift über der Empore .
Die Florinuskirche Innen mit der Inschrift über der Empore . © Corporaziun Envangelica Valsot

500 Jahre Florinuskirche in Ramosch

Jon Mathieu Über der Empore der Kirche in Ramosch heisst es in lateinischer Sprache: «1522, am 17. Juni, ist die Kirche zu Ehren des Heiligen Florinus fertig geworden.» Nächste Woche wird es also genau 500 Jahre her sein, seit die Handwerker diese Inschrift in den Verputz geritzt haben. Sie blickten an diesem Tag auf ein imposantes Bauwerk zurück, das eine sehr alte Tradition fortsetzte und bis in unsere Zeit Bestand hat.

Die Florinuskirche ist nach der Churer Martinskirche die zweitgrösste reformierte Kirche in Graubünden. Konzipiert war sie als Wallfahrtskirche zur Verehrung des Heiligen Florinus, der hier im 7. Jahrhundert Wunder gewirkt haben soll. Mit den Vorgängerbauten handelt es sich wahrscheinlich um die älteste Kirche im Engadin. Für die Jahre um 800 ist bereits ein grosses Sakralgebäude mit drei Apsiden (Halbrund-Abschlüssen) nachzuweisen.

Der Neubau von 1522 war Teil einer Hochkonjunktur von Kirchenbauten in Graubünden. Wenige Jahre später wandte sich Ramosch – wie andere Engadiner Dörfer – der Reformation zu, sodass die Heiligenverehrung und die Wallfahrt ein Ende fanden. Im Kircheninneren sind jedoch mehrere charakteristische Überreste des alten Glaubens sichtbar geblieben.

An der Jubiläumsveranstaltung vom 17. Juni wird der beste Kenner der Kirche, Nott Caviezel, diese historischen Zeichen in einem kurzen Wortbeitrag erläutern (vgl. Kasten). Drei weitere Kurzbeiträge beziehen sich auf andere Themen, die im Gebäude seit 1522 ihre Spuren hinterlassen haben. Zur Sprache kommen ein legendäres Gesangsbuch, die speziellen Kirchenbänke und ein charismatischer Pfarrer.

Die Philomela (Nachtigall) ist ein rätoromanisches Gesangsbuch, das Jon Martin 1684 in Tschlin drucken liess. Gut 500 Seiten mit geistlichen Liedern «für unterschiedliche Zeiten und Anlässe, teils neu geschaffen, teils aus anderen Sprachen übersetzt, fast alle zu vier Stimmen gesetzt». Der Ramoscher Pfarrer Jon Martin war ein begnadeter Schmied von Versen und eingängigen Wortbildern. So wurde die Philomela zu einem nachhaltigen Erfolg – bis 1797 kam es zu vier Auflagen.

Wie andere prominente Zeitgenossen liess sich der Pfarrer gern auf einem Prunkstuhl nieder. Seine brocca, so der einheimische Ausdruck, stammte von 1679 und verkündete auf Hebräisch und Rätoromanisch das Psalmwort «Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit». Die Sitzordnung in der Kirche widerspiegelte die Gliederung und Hierarchie der Gesellschaft. Sie lässt sich teilweise bis ins Detail verfolgen. So bildeten etwa die im 18. Jahrhundert von einem Adligen gestifteten Männerstühle in Ramosch eine Sehenswürdigkeit, die Leute aus anderen Dörfern anlockte.

Und schliesslich, aber nicht zuletzt: Schimun Vonmoos, der charismatische, grossherzige Pfarrer. Für seine Dienste von 1892 bis 1940 erhielt er in der Kirche die bis heute neuste Ehrentafel. Sie erinnert an den Trost und die Ermunterung seiner Gemeinde durch Wort und Vorbild.

Die Florinuskirche ist die zweitgrösste reformierte Kirche in Graubünden.
Die Florinuskirche ist die zweitgrösste reformierte Kirche in Graubünden. © Corporaziun Envangelica Valsot
500 Jahre Florinuskirche in Ramosch: Die Veranstaltungen

Freitag, 17. Juni, 20.00 Uhr, «Historische Zeichen» mit Orgelkonzert
Wortbeiträge von Nott Caviezel, Jon Mathieu, Mevina Puorger und Christoph Reutlinger.
An der Orgel Pasquale Bonfitto.

Sonntag, 19. Juni, 10.00 Uhr, Festgottesdienst von Pfarrer Christoph Reutlinger
Anschliessend Apéro, begleitet von der Musikgesellschaft Ramosch.

Beide Anlässe in der Kirche Ramosch in rätoromanischer Sprache.

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