Wir fördern das Heimweh

Jürg Wirth Lars Prevost ist Co-Präsident der Uniun da las Rumantschas e dals Rumantschs en la Bassa – kurz URB – und wohnt in Chur und Berlin. Im Interview sagt er unter anderem, weshalb diese Organisation wichtig ist und ob er mit dem Papst verwandt ist.

Wie viele Romanischsprechende leben im Unterland, in der Diaspora?

Eine Frage, die ich wie viele gerne beantworten würde. Eine genaue Zahl weiss wohl niemand – aber es sind viele, und wenn man über den Tellerrand blickt und die Secondos und Terzos miteinbezieht, die nicht lupenrein Rätoromanisch sprechen, aber dennoch eine Verbindung zur Sprache haben, wird der Kreis noch grösser.

 

Und wo befinden sich die Zentren?

Zürich gilt als die grösste rätoromanische Stadt – aber auch in den Räumen Luzern, Bern, St. Gallen und Basel gibt es Hotspots. Dies können wir anhand der Wohnorte unserer Mitglieder belegen.

 

Weshalb ist es wichtig, dass man diese betreut?

Für viele ist es die einzige Möglichkeit, sich im Unterland in der Muttersprache auszutauschen – quasi ein Stück Heimat. Wichtig sind aber auch deren Nachkommen und Interessierte  – «Freunde des Rätoromanischen» aus der ganzen Schweiz. Wir können glücklich sein, dass wir eine solche Sympathie im Land geniessen dürfen.

 

Und wie werden sie betreut?

Es gibt viele engagierte Personen und Vereine im Unterland. Alle aufzuzählen, würde die Seite füllen, aber das Angebot reicht von einfachen Stammtischen bis hin zu Kinderkrippen wie der Canorta in Zürich oder der Scola Rumantscha, organisiert von der Lia Rumantscha. Es gibt auch viele informelle Gruppen, die sich regelmässig treffen, um einfach auf Rätoromanisch zu plaudern. In Zukunft wird es auch eine «Ambassada Rumantscha» als Treffpunkt in Zürich geben ... 

Als URB unterstützen wir auch Kulturschaffende und wirken in Projekten, wie zum Beispiel dem Chalender mit.

 

Ist das Bedürfnis in der Diaspora grösser, Romanisch zu sprechen?

«Small is beautiful» – und in der heutigen Zeit ist es angesagt, sich abzugrenzen vom grossen Kuchen. Zudem wollen viele auch den Kontakt zur Region nicht abbrechen lassen und pflegen deshalb die Sprache. 

 

Spielt da auch ein wenig das schlechte Gewissen mit, ausgewandert zu sein?

Das denke ich persönlich nicht. Vielmehr vermute ich, dass es den Menschen besonders Freude bereitet, die Sprache und Kultur auszuleben, weil es ja doch etwas Einzigartiges ist.

 

Früher trauten sich romanischsprachige Eltern kaum, mit ihren Kindern in der Muttersprache zu reden, heute schon. Woran liegt das?

Rätoromanisch galt als alte und verstaubte Sprache – nicht gerade sehr attraktiv. Ich denke, die vielfältige Kulturszene trägt hier auch dazu bei, dass Rätoromanisch «cool» ist. Zudem ist es der Schlüssel zu allen lateinischen Sprachen. Es ist ein Geschenk, diese Sprache zu können – auch wenn meine Italienischlehrerin mir ständig ungenügende Noten bei den Wörtliprüfungen geben musste.

 

Sprache verändert sich laufend. Wie schafft man es in der Diaspora, dass man à jour bleibt und nicht die Sprache aus der Zeit des «Auswanderns» konserviert?

Da haben wir natürlich das Glück und ein grosses Privileg mit RTR, welche die Sprache und Kultur in die Welt hinausträgt und so die «Auswanderer», aber auch nachfolgende Generationen und natürlich Interessierte informiert. 

 

Den Romanischsprachigen wird ein starker Hang zum Heimweh nachgesagt. Wie viele kehren tatsächlich wieder zurück?

Das liegt wohl im Blut – auch die Randulins sind immer wieder zurückgekommen. Aber wie viele zurückkommen, ist schwer zu sagen, dazu gibt es keine Zahlen. 

 

Ist auch eine Aufgabe des URB, das Heimweh zu lindern – und wie funktioniert das?

Böse gesagt, wollen wir das Heimweh quasi fördern und wecken. Wir hatten im Juli einen Tavulin in Berlin und hatten Nusstorte im Gepäck. Dies in Kombination mit guten Gesprächen auf Rätoromanisch reicht schon, um Emotionen zu wecken. 

 

Gibt es so eine Art Leuchtturm bei den Ausgewanderten, also Vorzeigebeispiele?

Jeder Rätoromane ist quasi Botschafter und Leuchtturm auf persönliche Art und Weise.

 

Sie selber leben in Chur/Berlin, weshalb sind Sie dorthin gezogen? 

In Chur bin ich aufgewachsen, und in Berlin lebt meine Freundin.  

 

Können Sie sich vorstellen, wieder ins Engadin zurückzukehren?

In der aktuellen Zeit mit der Möglichkeit, von überall aus arbeiten zu können, ist man ja nie wirklich weg und ich bin immer sehr gerne bei meinen Grosseltern in Sent. 

 

Ihr Nachname ist Prevost, der Papst heisst auch Prevost. Sind sie verwandt mit ihm oder ist er wenigstens Engadiner?

Tatsächlich. Ja, und er hat mir den Generalschlüssel des Vatikans übergeben.😉

Lars Prevost ist in Chur aufgewachsen und kam während seiner Masterarbeit in Kontakt mit der URB. Nach dem Studium hat er als Unternehmensberater im Bereich Alpine Destinationen und Bergbahnen gearbeitet und war verantwortlich für das Tourismus Forum Alpenregionen. 
Bei Hatecke in Sent findet er den perfekten Ort zum Arbeiten, zudem gibt es dort den besten Espresso, nach der besten Plain in Pigna bei seiner Nona.
Lars Prevost ist in Chur aufgewachsen und kam während seiner Masterarbeit in Kontakt mit der URB. Nach dem Studium hat er als Unternehmensberater im Bereich Alpine Destinationen und Bergbahnen gearbeitet und war verantwortlich für das Tourismus Forum Alpenregionen. Bei Hatecke in Sent findet er den perfekten Ort zum Arbeiten, zudem gibt es dort den besten Espresso, nach der besten Plain in Pigna bei seiner Nona. © zvg

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