Ein junger Hund tapst noch leicht unbeholfen übers Gras, die Nase immer dicht am Boden, als suche oder rieche er etwas. Tatsächlich scheint er einer Spur zu folgen, schaut auf, erblickt ein zwei Meter entferntes Fellknäuel und beginnt zu bellen. Aufgeregt und ein bisschen ängstlich nähert er sich dem Bündel, dreht wieder ab, nähert sich wieder, bis er endlich die Nase am Knäuel hat. «Che hast chattà?», hört man dann eine freundliche, lobende Stimme im Hintergrund.
Die Stimme gehört zu Emil Kuen, der auch das Video gefilmt hat. Es zeigt Tjark auf seinen ersten Schritten zum Schweisshund – so heissen die Hunde für die Nachsuche. Mittlerweile ist Tjark drei Jahre alt und die beiden bilden ein erfolgreiches Nachsuchgespann. Was das genau ist, dazu kommen wir gleich, aber vorerst zum Namen – Tjark. Der Anfangsbuchstabe sei gegeben gewesen, sagt Kuen, denn jeder Wurf habe einen eigenen und laufe fort im Alphabet. Sein Hund sei aus dem zweiten Wurf gewesen, aber der Züchter habe erst mit dem Buchstaben S begonnen, deshalb T. Der Wildhüter hatte sich eigentlich auf B wegen des zweiten Wurfs eingestellt und hielt den Namen Bjark – Bär bereit. Wie es zu Tjark kam, liegt nun auf der Hand.
Tjark ist ein Hannoveraner Schweisshund, eine der drei ursprünglichen Schweisshunderassen. Die anderen beiden sind ein Bayerischer Gebirgsschweisshund und eine Alpenländische Dachsbracke. Der Bündner Schweisshunde club lässt auch weitere Jagdhunderassen für die Nachsucharbeit zu, sofern die entsprechenden Prüfungen bestanden wurden. Viele Hunderassen würden Fährten respektive Schweiss, also Blut finden, sagt Kuen, doch damit ist es nicht getan. Denn der Hund muss das Tier auch jagen und stellen, beschreibt er. Das klingt jetzt etwas martialisch, ist aber notwendig, um ein Tier möglichst rasch von seinem Leiden erlösen zu können.
Training und Prüfung
Damit ein Hund zum Schweisshund wird, muss er eine Prüfung absolvieren. Wie das so ist bei Prüfungen, erst muss er lernen und sich vorbereiten. Bei jungen Hunden beginne man mit einem Fellknäuel, das man über den Boden schleife, liegen lasse und dann den Hund auf die Fährte bringe. «Schleppen» nennt sich das, wie im Video gesehen. Mit der Zeit erhöht man die Distanz zwischen Hund und Fellknäuel, dann den zeitlichen Abstand zwischen Schleppen oder Verstecken und Suchen. Schliesslich beginnt man mit der Nachsuchleine und dem Gstältli zu arbeiten und den Hund so auf seine Arbeit zu konditionieren. An der Prüfung legt der Experte am Abend eine Spur mit zwei Deziliter Schweiss, welcher der Hund am anderen Morgen bis zum Ende zu folgen hat. Das würden die Hunde eigentlich problemlos schaffen, meint Kuen. Das Problem sei eher die Wiederholungsprüfung nach fünf Jahren, da hätten die Hunde schon manchen Ernsteinsatz hinter sich und die künstlich gelegte Fährte wirke dann nicht mehr so interessant. Trotzdem besteht der Hund nur, wenn er auch dieser Fährte folgt, «gehorsam» ist.
Dann kann es endlich losgehen für den Hundeführer und seinen Hund, die zusammen das Nachsuchegespann bilden.
Der Haupteinsatz erfolgt während der Jagd. Die Hundeführer melden sich hierfür an und kommen auf die von der Hundezentrale geführte Pikettliste.
Wichtige Nachsuche
Meldet ein Jäger einen Fehlschuss, muss das Gespann ran. Allerdings nicht sofort, sondern frühestens nach vier Stunden, da die Fährte sonst zu frisch ist. Erst nach einer gewissen Zeit trennt sich der Schweiss vom Rest der Gerüche.
Der Hund folgt der Spur des verletzten Tieres. Wenn er das verletzte Tier aus seinem «Wundbett» gescheucht respektive gejagt hat, lässt ihn Kuen von der Leine. Die Aufgabe des Hundes ist es dann, das Tier möglichst schnell zu stellen, also quasi so zu bewachen, dass es nicht mehr weiterläuft. Dann erlöst es Kuen mit dem Fangschuss, sobald er den Hund mit dem verletzten Tier gefunden hat. Das funktioniert heute rasch dank GPS, früher habe man sich aufs Bellen verlassen müssen. Kuen selber hat diese Zeit aber nicht mehr erlebt. Kann ein Tier nicht gefunden werden, wird oft mit einem zweiten Hund nachgesucht. Führt auch dies nicht zum Erfolg, sucht der Wildhüter das Gebiet immer wieder auf, um das möglicherweise verletzte Tier zu finden.
Der Jäger darf während einer Nachsuche nicht weiterjagen. Er bekommt keine Busse, muss aber für die Nachsuche 60 oder 90 Franken bezahlen, je nachdem, ob er Mitglied des Bündner Schweisshundeclubs ist oder nicht.
Das hat nun auch Tjark schon einige Male gemacht, denn jeder Hundeführer komme je nach Kantonsgebiet rund sechsmal pro Jagdsaison zum Einsatz, weiss Kuen aus Erfahrung. Aus dem kleinen Welpen ist also ein veritabler und geprüfter Nachsuchehund geworden und aus den zweien ein richtiges Gespann.