War sogar schon beim Papst: Pfarrer Mathew aus Zernez.
War sogar schon beim Papst: Pfarrer Mathew aus Zernez. © zvg

Von Indien ins Unterengadin

Jürg Wirth Seit Oktober 2022 predigt Pfarrer Mathew in der katholischen Kirche von Zernez. Zuvor war der gebürtige Inder auch in den USA und natürlich in Rom. Und er kennt sogar den neuen Papst persönlich.

Es ist nicht verwegen zu behaupten, dass sich die Kindheit von Mathew Charthakuzhiyil zumindest in zwei Punkten erheblich von derjenigen der hiesigen Kinder unterscheidet. Erstens besuchte er jeden Tag die Kirche, zweitens ist er in Kerala in Südindien aufgewachsen.

Aufgrund von Punkt eins der Unterschiede erstaunt es nicht, dass Mathew, wie man ihn der Einfachheit halber nennt, mittlerweile Pfarrer ist, und zwar der katholische der Gemeinde Zernez. Dies könnte wiederum aus zwei Gründen etwas erstaunen. Im Zusammenhang mit Religion denkt man beim Stichwort Indien nicht unbedingt an den Katholizismus, sondern eher an Hinduismus oder allenfalls noch an den Islam. Tatsächlich leben in Indien aber rund 35 Millionen Katholiken. Klingt nach ziemlich viel, entspricht aber angesichts der 1,4 Milliarden Einwohner Indiens nur ca. 2,5 Prozent der gesamten Bevölkerung. Insbesondere in Goa, welches jetzt nicht in erster Linie für Religion steht, leben viele Katholiken und eben in Kerala, wo Mathew aufgewachsen ist. Stolz erklärt er, dass seine Familie seit 2000 Jahren den katholischen Saint-Thomas-Christen angehöre. Der Begründer lebte 52 nach Christus und war 20 Jahre in der Gegend von Kerala, wo er sieben christliche Gemeinden gegründet hat.

Lange konnten die Katholiken ein unbehelligtes Leben führen, mit dem aufkommenden Hindu-Nationalismus unter Premierminister Narendra Modi wird ihre Situation, genauso wie die der Muslime, zunehmend schwieriger. 

Pfarrer Mathew ist es wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen gerne in die Kirche gehen.
Pfarrer Mathew ist es wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen gerne in die Kirche gehen.

Von Kerala nach Detroit

Das war im Jahre 2000 noch anders, trotzdem hat Mathew damals sein Heimatland verlassen. Dies als junger, geweihter Pfarrer. Die Weihe erhielt er 1997 nach dem Studium im Priesterseminar, wo er sich unter anderem vier Jahre in Theologie und drei Jahre in Philosophie vertiefte.

Drei Jahre amtete er danach noch als Pfarrer in seiner Heimat. Auf die Frage, wie denn Kirche dort sei, schmunzelt er etwas und antwortet dann: «Eigentlich wie hier, es gehen einfach mehr Leute in die Kirche.» 

Vor vielen Leuten predigte er dann auch in Detroit, seiner ersten Station im Ausland, allerdings sei Detroit auch sehr gross, fügt er fast entschuldigend an. Doch er predigte nicht nur, sondern vertiefte auch seine Englischkenntnisse und absolvierte einen Master in englischer Literatur. Selbstverständlich beherrschte er diese Sprache schon, da sie damals in Indien ab der vierten Klasse Unterrichtssprache war, heute sogar ab der ersten Klasse. Umgangssprache ist Malayalam. Nebst dem Predigen ist das Schreiben seine grosse Leidenschaft – und das Wandern respektive das Pilgern. Bereits zweimal hat er den Jakobsweg absolviert und darüber auch ein Buch geschrieben, das auch in Deutsch übersetzt worden ist. Der Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain findet lobende Worte dafür. Auch einen Schweizer Nationalheiligen hat Mathew schon literarisch gewürdigt. Sein Buch über Bruder Klaus sei in Indien über 2000-mal verkauft worden, verkündet er voller Freude. Sein gesamtes Werk umfasst bereits neun Bücher.

Mit dem neuen Papst gesprochen

Nicht nur den Churer Bischof kennt der Zernezer Pfarrer persönlich, sondern auch den neuen Papst Leo XIV. Getroffen hat er ihn 2012, als er in Rom seine Dissertation schrieb und bei der Synode arbeitete. Robert Francis Prevost, wie er damals noch hiess, war Generaloberst der Augustiner. «Ich habe einige Male mit ihm gesprochen, er ist sehr gut und bringt viel Erfahrung mit.»

Mathew selber arbeitete nach einem kurzen Abstecher in Indien auch noch in Bonn. Ein Kardinal habe ihn dorthin geschickt, damit er besser Deutsch lerne. Tatsächlich spricht er dies jetzt fliessend. 

Fast scheint es, als ob die Priester nicht ganz frei über ihr eigenes Leben entscheiden könnten – nicht nur beim Zölibat. 

Denn sein nächster Arbeitsplatz nach Bonn war – Sedrun. «Dabei hat mein Bischof einen Vertrag mit seinem Amtskollegen aus der Schweiz abgeschlossen.» Auch dort habe es mehr Leute gehabt als hier, ergänzt er noch. Nichtsdestotrotz verliess er das Bündner Oberland und wechselte im Oktober 2022 nach Zernez. Hier gefällt es ihm ausgezeichnet und er bringt auch eigene Ideen zu Gottesdiensten und deren Ausrichtung ein. So möchte er etwas mehr Gottesdienste anbieten, und dies zum Teil auch zu speziellen Zeiten. Und er zelebriert und lebt die Messen, absolviert diese beseelt und mit einer guten Portion Humor und Schalk.

Unterwegs mit den Firmlingen

Vor allem am Herzen aber liegen ihm die Kinder und die Jugendlichen. Momentan ist er mit den «Firmlingen», jene, die sich auf die Firmung vorbereiten, intensiv am Arbeiten. Wichtig ist ihm dabei, dass die Kinder nicht nur kommen, weil sie müssen. Vielmehr sollten sie bemerken, dass es bei der Religion nicht nur um Gott und Kirche geht, sondern dass die entsprechenden Grundsätze auch das Fundament von Staat und Zusammenleben sind. Besonders freut er sich auf die Reise im Oktober nach Rom mit den Firmlingen. Und auch darauf noch besser Romanisch zu lernen, obwohl, fügt er an, lesen könne er bereits auf Romanisch, auch eine Messe. 

Beste Voraussetzungen also dafür, dass immer mehr Leute seine Gottesdienste besuchen, und wer weiss, vielleicht gehen irgendwann auch die hiesigen Kinder täglich in die Kirche. 

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