Wirkt immer noch eindrücklich: Der ehemalige Galgen bei Zernez.
Wirkt immer noch eindrücklich: Der ehemalige Galgen bei Zernez. © Jürg Wirth

Der Galgen bei Zernez

Jürg Wirth Zwischen Zernez und Susch befand sich vor einigen hundert Jahren die Hinrichtungsstätte des Bezirks Muntfallun. Die Säulen stehen noch, und gleich daneben gibt’s auch eine Feuerstelle. 

Sie stehen etwas versteckt im Wald, und über ihren Zweck lässt sich erst nur rätseln. Es sind zwei massive Steinsäulen von je vier Metern Höhe und 1,5 Metern Durchmesser am Fuss, im Abstand von sechs Metern. Sie stehen auf einer kleinen Ebene im Abhang zum Inn rechts vom Flurweg, flussabwärts betrachtet. Hinweise auf die Verwendung der beiden Säulen geben dann aber der Flurname sowie der Name der Brücke, welche in unmittelbarer Nähe über den Inn führt. Die Brücke heisst La Güstizia und der Flurname lautet Fuorcha. Fuorcha, muss man wissen, das ist das romanische Wort für Galgen, und Güstizia dürfte sich einem von selbst erschliessen, bedeutet «Gericht».

Tatsächlich bildeten die beiden Säulen den Galgen, an welchem in früheren Zeiten die Todesstrafe vollstreckt wurde. Dazu wurde auf den Säulen ein Holzbalken befestigt, an welchem der Strick hing. 

Ab wann und bis wann diese Hinrichtungsstätte in Betrieb war, darüber lässt sich nur werweissen. Jedenfalls berichtet Ulrich Campell in «Das alpine Rätien, Topographische Beschreibung von 1573» in dramatischen Worten davon: «Der Ort, welcher zur Vollstreckung der Todesstrafe an ehrlosen Menschen bestimmt ist. Er trägt den Namen Puniasca.» Puniasca, so geben weiterführende Erklärungen Auskunft, war die Richtstätte des Unterengadiner Kriminalgerichtsbezirks Sur Muntfallun. Dieser umfasste die Gemeinden Zernez, Susch, Lavin, Guarda, Ardez und Ftan und wurde später in «Sur Tasna» umbenannt.

Doch wie auch immer, für einen leichten Nervenkitzel und ein schüchternes Grauen sollten auch diese Angaben genügen, und wer danach trotzdem noch Appetit hat, kann auf der nahegelegenen Feuerstelle bräteln und sich in der Fantasie in vergangene Zeiten zurückversetzen.

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